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KURT FORSTREUTER.
es nicht selten, daß der Dichter dieses bequeme Mittel verschmäht,
vielleicht gerade weil es so bequem ist. Bürger hat ein Gedicht, das
ursprünglich betitelt war »Des armen Suschens Traum«, später in
»Ballade« umbenannt und damit den charakteristischen Titel durch
einen symbolisch bedeutsamen ersetzt. Infolgedessen tappt man wohl
den ersten Vers hindurch im Dunkeln, im zweiten Verse aber wird
durch das eine Wort »Falscher« die ganze Szene erhellt. In Goethes
Lied an den Mond ist man allerdings lange Zeit über die Perso-
nalien des redenden Ich im Unklaren gewesen (vgl. Petersen a. a. O.),
doch hängt das mit der Zwittergestalt des Gedichtes zusammen, das
seine ursprüngliche Gestalt geändert hat.
Es ist merkwürdig, daß man in vielen Rollengedichten über die
Art des Vortrags ganz im Unklaren gelassen wird. Schon erwähnt ist
das Beispiel von Goethes Schatzgräber«, wo man gar nicht merkt,
wo, wann und wie erzählt wird. Soll man die Erzählung deshalb für
einen Monolog halten? Kann der Erzähler überhaupt sein eigenes
Publikum sein, ganz abgesehen davon, daß die Erzählung hier auf
lehrhafte Wirkungen eingestellt ist und damit einen Zuhörer voraus-
setzt? Eine Art Rahmen scheint doch ein notwendiges Instrument für
die Illusion des epischen Vortrags zu sein. Da der Erzähler nur Ver-
gangenes, also Unwirkliches zum Ausdruck bringt, will man wissen,
wie dieses Vergangene im Wiedererleben des Erzählers wieder zur
Wirklichkeit wird. Das wird gezeigt auch ohne Rahmen in Platens
Ballade »Der Pilgrim von St. Yust«, indem der Held die Szene schildert
und seine Zuhörer anredet. Eine andere Ballade desselben Dichters,
das Klagelied Otto des Dritten, ist nun wirklich monologisch, aber
hier ist die monologische Form motiviert durch die Stimmung des
Helden und durch die Situation, in der er sich befindet/ Der epische
Monolog ist lyrisch durchsetzt und deshalb glaubhaft. Der lyrische
Monolog aber braucht nicht motiviert zu werden, die Sprache des
Gefühls ist immer monologisch, und die Anrede ist, wo sie vorkommt,
mehr emphatischer Ausruf. Im lyrischen Gedicht fragt man gar nicht
danach, wie die Rede des Rollenhelden motiviert wird. Was gewinnt
ein Gedicht wie Schillers »Klage der Ceres« dadurch, daß man fest-
stellt, es sei ein Monolog? Der Ich-Vortrag ist eine Eigenheit der Lyrik:
auch wenn das Wort »Ich« nicht ausdrücklich vorkommt und der
Dichter wie in C. F. Meyers Römischem Brunnen« nur durch die
Beschreibung äußerer Gegenstände lyrische Wirkungen auslöst, dann
gibt er nur den Eindruck statt des Ausdrucks und entfernt sich zwar
von der Formensprache des lyrischen Gedichts, nicht aber von seinem
Gegenstand, dem eigenen Ich (vgl. O. Walzel, Schicksale des lyrischen
Ich, Lit. Echo Bd. 18, S. 3Q3 ff., 676 ff.). Anders in epischen, auch bal-
KURT FORSTREUTER.
es nicht selten, daß der Dichter dieses bequeme Mittel verschmäht,
vielleicht gerade weil es so bequem ist. Bürger hat ein Gedicht, das
ursprünglich betitelt war »Des armen Suschens Traum«, später in
»Ballade« umbenannt und damit den charakteristischen Titel durch
einen symbolisch bedeutsamen ersetzt. Infolgedessen tappt man wohl
den ersten Vers hindurch im Dunkeln, im zweiten Verse aber wird
durch das eine Wort »Falscher« die ganze Szene erhellt. In Goethes
Lied an den Mond ist man allerdings lange Zeit über die Perso-
nalien des redenden Ich im Unklaren gewesen (vgl. Petersen a. a. O.),
doch hängt das mit der Zwittergestalt des Gedichtes zusammen, das
seine ursprüngliche Gestalt geändert hat.
Es ist merkwürdig, daß man in vielen Rollengedichten über die
Art des Vortrags ganz im Unklaren gelassen wird. Schon erwähnt ist
das Beispiel von Goethes Schatzgräber«, wo man gar nicht merkt,
wo, wann und wie erzählt wird. Soll man die Erzählung deshalb für
einen Monolog halten? Kann der Erzähler überhaupt sein eigenes
Publikum sein, ganz abgesehen davon, daß die Erzählung hier auf
lehrhafte Wirkungen eingestellt ist und damit einen Zuhörer voraus-
setzt? Eine Art Rahmen scheint doch ein notwendiges Instrument für
die Illusion des epischen Vortrags zu sein. Da der Erzähler nur Ver-
gangenes, also Unwirkliches zum Ausdruck bringt, will man wissen,
wie dieses Vergangene im Wiedererleben des Erzählers wieder zur
Wirklichkeit wird. Das wird gezeigt auch ohne Rahmen in Platens
Ballade »Der Pilgrim von St. Yust«, indem der Held die Szene schildert
und seine Zuhörer anredet. Eine andere Ballade desselben Dichters,
das Klagelied Otto des Dritten, ist nun wirklich monologisch, aber
hier ist die monologische Form motiviert durch die Stimmung des
Helden und durch die Situation, in der er sich befindet/ Der epische
Monolog ist lyrisch durchsetzt und deshalb glaubhaft. Der lyrische
Monolog aber braucht nicht motiviert zu werden, die Sprache des
Gefühls ist immer monologisch, und die Anrede ist, wo sie vorkommt,
mehr emphatischer Ausruf. Im lyrischen Gedicht fragt man gar nicht
danach, wie die Rede des Rollenhelden motiviert wird. Was gewinnt
ein Gedicht wie Schillers »Klage der Ceres« dadurch, daß man fest-
stellt, es sei ein Monolog? Der Ich-Vortrag ist eine Eigenheit der Lyrik:
auch wenn das Wort »Ich« nicht ausdrücklich vorkommt und der
Dichter wie in C. F. Meyers Römischem Brunnen« nur durch die
Beschreibung äußerer Gegenstände lyrische Wirkungen auslöst, dann
gibt er nur den Eindruck statt des Ausdrucks und entfernt sich zwar
von der Formensprache des lyrischen Gedichts, nicht aber von seinem
Gegenstand, dem eigenen Ich (vgl. O. Walzel, Schicksale des lyrischen
Ich, Lit. Echo Bd. 18, S. 3Q3 ff., 676 ff.). Anders in epischen, auch bal-