Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0134
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN.

121

derts selbst gezeigt, wie sich auf Grund seiner Formel der farbige Aufbau des
Bildes, ausgehend von der neutralen Helldunkeluntermalung als A und fortschreitend
zum Fleischton als U (das Verhältnis scheint sich mir freilich mit dem Einsetzen
des letzteren sofort umzukehren und nicht der Zeitfolge des technischen Verfahrens
zu entsprechen), sodann aber zu dessen Differenzierung, als folgerichtiger Vorstel-
lungsablauf vollzieht. Daß er für die rein koloristische Gestaltung der primitiven und
vollends der modernen Kunst entsprechend verläuft, deutet Britsch wenigstens an,
vor allem für die Bedeutung des Goldgrundes in der mittelalterlichen Malerei.
Feinere Analysen aber wird man hier wiederum nur auf Grund der Harmonie-
gesetze durchführen können. Von Britsch wird nicht einmal die Polarität der warmen
und kalten Farben dafür berücksichtigt. Daß es sich bei alledem nicht um die ge-
treue Wiedergabe physikalischer Farbenverhältnisse der Außenwelt handelt, sondern
nur um farbige Denk- (beziehungsweise Vorstellungs)zusammenhänge, weiß freilich
der Kunsttheoretiker längst, wenn auch vielleicht der Laie noch heute im Bilde
eine getreue Spiegelung der Natur in ihrer vollen Farbigkeit zu erblicken glaubt.
Dagegen wäre es ein Irrtum, zu glauben, daß solche Vorstellungszusammenhänge
völlig frei in der Einbildungskraft des Künstlers entstehen. Vielmehr weiß er sie
nur als erster aus dem Augenschein der Wirklichkeit herauszulösen und seiner Bild-
gestaltung zugrunde zu legen, mögen auch manche Augen sie schon früher in jener
erlebt haben (was Britsch vielleicht nicht zugegeben hätte). Damit aber übersetzt
der Künstler doch Natureindrücke in vereinfachte und kontrastierte Farbenzusammen-
hänge, wie uns schon Helmholtz belehrt hat. Nicht um bloße Symbolsetzung für sub-
jektive Gesichtssinneserlebnisse also handelt es sich, sondern um eine geklärte Ver-
sinnlichung der aus der Wirklichkeit geschöpften Vorstellungen, — zum großen Teil
sogar unmittelbar aus der Wahrnehmung heraus, zumal im modernen Impressionismus.

Die äußerste Durchbildung der Farbe braucht, wie Britsch mit Recht lehrt,
nicht notwendigerweise mit der erfüllten Höchstleistung in den übrigen (vorbetrach-
teten) -Denkmöglichkeiten (beziehungsweise Gestaltungsrichtungen) zusammenzu-
treffen. Man kann sogar feststellen, daß sie in der neuzeitlichen Kunstentwicklung,
wenigstens bei einzelnen Meistern, der Vollendung der ausdehnungsveränderlichen
Zeichnung vorauseilt (T. Gaddi, J. v. Eyck). In der Antike scheint sie umgekehrt er-
heblich nachzuhinken. Man darf die Farbengebung daher sehr wohl mit Britsch auf
eine besondere Vorstellungsbildung zurückführen. Daraus ergeben sich nun in der
Tat unerschöpfliche Möglichkeiten der individuellen Gesamtleistung, als deren ein-
zigen Wertmaßstab er die Einheitlichkeit der künstlerischen Vorstellungsweise an-
sieht, die auch in eine spätere Leistung von fortgeschrittener neuer Teilgestaltung
niemals völlig eingeht. Als Unterscheidungsmerkmal unselbständiger Nachahmungs-
kunst soll hingegen die fehlende Einheitlichkeit gelten, da ihr Erzeugnis bereits
mehr oder weniger vollständig in einem anderen Zusammenhange enthalten sei.
Das wird besonders an gut gewählten Beispielen aus dem Kunstgewerbe begründet,
— wenngleich nicht durchweg überzeugend. Den Beweis dafür, daß die ganze
Lehre von Britsch auch auf die Raumgestaltung in Architektur und Plastik ebenso
weitgehende Anwendung finde, bleibt uns der Herausgeber vollends schuldig, da
es sich in allen hier betrachteten Fällen immer nur um Flächen- (einschließlich
Relief-)gestaltung handelt (einige Proben romanischer Kleinplastik bei der Richtungs-
veränderlichkeit ausgenommen).

Daß sich aus den Grundbegriffen von Britsch bedeutsame Gesichtspunkte für
die Gliederung der Kunstentwicklung ergeben, vor allem aus dem der Ausdehnungs-
veränderlichkeit sowie der grenzlosen Abhebung des Farbflecks, sei nochmals bereit-
willig anerkannt. Es hieße jedoch ihre Bedeutung überschätzen, wenn man auf ihnen
 
Annotationen