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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0225
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212

BESPRECHUNGEN.

begriff und bei der Darstellung der Methoden. Da der Organismus eines Kultur-
systems überhaupt eine geltende Vernunftform ist und zugleich vielen geschichtlichen
Wirklichkeiten Eintritt verstattet, so ist hier ein Vorbild gegeben für die Verbindung
einer eigengesetzlichen Kunst mit dem reichen Leben geistiger Gemeinschaften. Die
von manchen Kunsthistorikern gerühmte vergleichende Methode ist nur im Rahmen
einer systematischen Kunstwissenschaft gerechtfertigt, denn sie will Sachgesetzlich-
keiten gewinnen, also weder geschichtliche noch psychologische Regeln. Ganz deut-
lich wird an einer späteren Stelle (S. 120) gefragt: »Ist das entwicklungsgeschicht-
liche Subjekt der Kunstgeschichte die autonome Funktion der Kunst oder ist ihr
eigentlicher Held das Volk oder die Kulturgemeinschaft, welche diese Funktion
ausübt?« Es seien schließlich hervorgehoben die geistreichen Bemerkungen über
die Spannung zwischen dem Gehalt eines Kunstwerks und seinem lebendigen Träger
und die beachtenswerten Bedenken gegen die Anwendung des Begriffs Typus auf
konkrete Gestaltungen wie Klassik und Romantik.

Ist es bei Rothackers Abhandlung noch einigermaßen möglich, die uns wich-
tigen Äußerungen aus dem gut gegliederten Ganzen zu lösen, so versagt dies Vor-
gehen bei Wolffs ununterbrochen fließender Darstellung. Sie entspringt aus Hegels
Geist und mündet in ihn, ohne doch Hegel zu wiederholen. Kunst wird an Religion
und Philosophie gemessen. Kunst ist das Leibhaftigwerden eines Allgemeinen, das
zwar aus dem individuellen Bewußtsein des Schöpfers hervorgeht, aber zuletzt »in
einer Art undurchdringlicher Fremdheit als ein Gegebenes eben diesem Bewußtsein
gegenübertritU. Der Gehalt der Kunst, obwohl zunächst dem der Religion eng ver-
wandt, rückt doch allmählich in seiner Allgemeinheit über die Besonderheiten der
bestehenden religiösen Gestalten weit hinaus. An den Begriffen Freiheit und Ge-
bundenheit wird das künstlerische Bewußtsein (gleich dem religiösen Bewußtsein)
seinem tiefsten Sinn nach erläutert. Der Verfasser sagt hier unter anderem: »das
künstlerische Bewußtsein stellt, aus der gesteigerten Existenz sich erhebend, dem
Dasein schlechthin ein höheres und seinem Wesen nach von ihm unabhängiges
Dasein gegenüber, für das ein Verhältnis von Freiheit und Gebundenheit bestim-
mend ist, dessen eine Seite dargestellt wird durch eine der bedingten Vereinzelung
enthobene, rein in sich selbst ruhende Subjektivität, während die andere Seite ein
zugleich unabhängiges und von jener Subjektivität erfülltes und gehaltenes Dasein
hervortreten läßt, das gegenüber der Zerstreuung der Existenz in die zufällige Will-
kür ihrer Vereinzelung eine zu Gebilden von wesentlicher und allgemeiner Not-
wendigkeit verdichtete Gestalt ihres Inhalts, gegenüber ihrer dunklen Undurchdring-
lichkeit und in sich zerfallenden Sinnlosigkeit ein von innerem Licht durchflutetes,
in der Durchsichtigkeit seiner Bewegung durch das klare Walten der sich in ihm
entfaltenden Gesetzmäßigkeit gerechtfertigtes Ganzes leibhaftig werden läßt« (S. 39).
Diese Probe der Denkgesinnung und Schreibweise Wolffs mag genügen, denn ein
Bericht, der auch in die Sphäre des philosophischen Bewußtseins führen müßte,
würde eine an diesem Ort nicht statthafte Ausführlichkeit gewinnen. Soviel nur sei
gesagt: jeder, der überhaupt einer spekulativen Behandlung der künstlerischen Pro-
blematik geneigt ist, wird künftig an Wolffs Aufsatz nicht vorübergehen können.

Berlin.

Max Dessoir.

Die Philosophie in Selbstdarstellungen, herausgegeben von Dr. Ray-
mund Schmidt. Der ganzen Reihe sechster Band. Leipzig 1927, Felix Meiner.
Es ist mir, so oft ich dieses Unternehmen hier anzeigen durfte, ein Schmerz ge-
wesen, nach der Zielbestimmung unserer Zeitschrift mich auf wenige Worte beschränken
 
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