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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0227
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214

BESPRECHUNGEN.

Wissenschaft als exakte Wissenschaft nur möglich sein, wenn wir sie auf eine breitere
Basis stellen, wenn wir nicht nur unseren Kulturkreis, sondern alles künstlerisch
Geschaffene in den Kreis der Betrachtung einbeziehen, d. h. wir müssen den ganzen
Erdkreis unseren Betrachtungen über Kunst zugrunde legen, nicht aber einseitig die
klassische Kunst als Zentrum aller künstlerischen Betätigung auffassen. Am dringend-
sten ist hier, wie Strzygowski meint, die Anerkennung des germanischen Nordens
und des Ostens als selbständige, von der Antike unabhängige Kunstzentren. Zweitens
die Einbeziehung der ganzen Zeit, auch der vorgeschichtlichen, in die kunstwissen-
schaftliche Betrachtung, während die Prähistorie bis jetzt fast ausschließlich dem
Paläontologen überlassen blieb. Endlich drittens die Ausweitung auf die gesamte
Gesellschaft: nicht nur die Kunst der Kultur-, sondern ebenso die der Naturvölker
muß dem Versuche einer Kunstwissenschaft zugrunde gelegt werden, wollen wir
nicht in den Fehler einer Induktion aus zu engem Materia! verfallen.

Dieser Universalismus der Einstellung ist aber nur möglich durch eine gründ-
liche Umgestaltung der gesamten Methodik der Kunstwissenschaft, die den zweiten
Programmpunkt Strzygowskis ausmacht. Die »französische Methode«, die Forschung
nach Quellen, reicht natürlich bei dieser Ausweitung der Kunstwissenschaft auf Ge-
biete, welche keine schriftlichen Quellen besitzen, nicht aus. Auch verlangt ja die
Kunstwissenschaft eine von der Philologie und Geschichte verschiedene Betrach-
tungsweise, die eben das eigentlich Künstlerische festzustellen versucht, wenn es
nicht dem subjektiven Einfall überlassen bleiben soll. Darum ist der Mangel an
Quellen keineswegs ein Hindernis für die kunstwissenschaftliche Betrachtung. An
die Stelle einer Forschung nach Quellen muß die Betrachtung der Kunstwerke selbst
treten. Die Kunstwissenschaft soll nicht »geschichtliche Vorarbeit«, sondern »wissen-
schaftliche Facharbeitc leisten, ihr Organ ist nicht »Quellenkunde«, sondern »plan-
mäßiger Vergleich«.

Wenn es sich auf der einen Seite um die Überwindung einer nur philologischen
Kunstwissenschaft handelt, so anderseits um die einer subjektiven. Die Kunstwissen-
schaft war bisher nur beschreibend — sie beschrieb das Äußere des Kunstwerkes
und die subjektive Stimmung des Beschauers; nicht aber hat sie exakt das Wesen
des Kunstwerkes erfaßt. Diese Exaktheit aber wird erreicht durch die Trennung
des Sach- und Beschauerstandpunktes; das Kunstwerk ist eine Sache für sich,
deren Wesen durch planmäßigen Vergleich festgestellt werden soll; ebenso ist aber
auch der Beschauer eine Sache für sich, die analog zu erforschen ist; keineswegs
aber darf Feststellung des Kunstwertes und subjektiver Einfall planlos durchein-
anderlaufen.

Zu diesem Zwecke dient die Dreiteilung der Kunstwissenschaft in 1. Kunde,
2. Wesen, 3. Entwicklung, wobei sowohl die Sach- als auch die Beschauerforschung
in diese drei Teile zerfällt. Die »Kunde« liefert die Beschreibung der einzelnen
Kunsterscheinungen, und zwar des gesamten Erdkreises. Die »Wesensforschung<
betrachtet die eigentlich künstlerischen Werte nach objektiven Maßstäben. Betrachtet
die Kunde das Äußere, die »Denkmäler«, so untersucht die Wesenswissenschaft die
inneren Werte, sieht die Denkmäler als Kunstwerke an. Endlich die »Entwicklungs-
forschung« gibt die kausale Erklärung der einzelnen Kunstwerke.

Die Sachforschung, »Kunde«, hat die Denkmäler festzustellen, und zwar
nach folgendem Schema:
I. Feststellung.

I. Feststellung des einzelnen Denkmals:

A. Feststellung des gegenwärtigen Zustandes: a) Aufnahme (Rohstoff,
Standort, Vermessung, Lichtbild), b) Beschreibung.
 
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