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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0245
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232

BESPRECHUNGEN.

hundert beruht auf der aussichtslosen und bedrückenden Lage der betreffenden
Klassen.

Die Entstehung, die Blüte, der Verfall der verschiedenen Arten der Kunst: des
Porträts, des Stillebens, der Landschaft, des Sittenbildes sind ebenfalls von sozialen
Bedingungen bestimmt. Es läßt sich ferner beweisen, daß auch die Herrschaft des
einen oder anderen Stoffgebietes in der Malerei: Tier, Mensch, der Nackte, der
Bekleidete, der Arbeitende, der Fürst, das Kind usw., nicht nur durch Temperament
und persönliche Umstände des Künstlers, sondern in weitem Umfange durch soziale
Ursachen bedingt sind.

Endlich zeigt der Verfasser, wie sich die soziale Bedeutung und Funktion der
Kunst gleichzeitig mit der Organisation der Gesellschaft ändert. In der primitiven
Gesellschaft dient die Kunst der Magie, in der feudalen Gesellschaft hat sie religiöse
Zwecke, in der bürgerlichen — während ihres Aufstieges — hat sie Erziehungs-
tendenzen, moralische oder politische; diese Tendenzen schwinden, sobald die
bürgerliche Klasse zur Herrschaft gelangt und in Verfall gerät; sie machen dann
einer sogenannten »reinen« — hedonistischen — Kunst Platz.

In einem umfassenden Schema hat der Verfasser zu zeigen unternommen, daß
der Stil, die Gattungen, die Motive der Kunst in engem Zusammenhang mit der
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung stehen; daß ähnliche Gesellschaftsformen
ähnliche — wenn auch nicht gleiche — Kunstformen erzeugen, obwohl Rasse und
Klima andere waren; daß die Kunst ein soziales Phänomen ist und die Kunst-
geschichte nur soziologisch aufgebaut werden kann.

Moskau. Lia Siweltchinski.

Franz Koch, Goethe u nd Plotin. Verlag J. J. Weber, Leipzig 1925. 263 S.

Eine fruchtbare Arbeit, vorhandene Ansätze glücklich weilerführend und selbst
voller Keime. In zunehmendem Maße ist sich die neuere Forschung des Anteils,
der dem Neuplatonismus bei der Reifung des geistigen, im besonderen literarischen
Lebens Deutschlands im 18. Jahrhundert zugefallen war, bewußt geworden. Von
Burdachs Akademieschrift »Faust und Moses« über K. P. Hasses Andeutungen in
seinem Buch »Von Plotin zu Goethe« und Weisers klärende Shaftesburyschrift zu
Nadlers Auswertungen für das Verständnis deutscher Klassik und Romantik gewinnt
das Problem ständig an Bildschärfe. Nun setzt es Koch entschlossen in die Mitte
des Blickfeldes und sucht von hier aus das 18. Jahrhundert und seinen größten
Repräsentanten zu deuten.

Das Problem zwingt dem Verfasser eine gewisse Abstraktion auf. Er entschließt
sich, die vermittelnden Glieder zwischen den beiden Polen weitestgehend auszu-
schalten, gleichsam durchsichtig zu machen und so den »Archetypus« möglichst un-
mittelbar mit seinem späten Folger zu verknüpfen. Koch scheint die Gefahr zu
fühlen, die hierin liegt, ohne ihr aus dem Wege gehen zu können. Es liegt eben
so, daß sich in der Geschichte des menschlichen Geistes eine Entwickhmgsreihe
von solchen Ausmaßen nicht einfach eliminieren läßt, wenn man mehr anstrebt al?
eine Vergleichung einfachster Grundlinien, was der Verfasser natürlich tut. Zwischen-
glieder — wenn man diesen Ausdruck überhaupt gelten lassen will — wie die
deutsche Mystik, Bruno, Spinoza, Leibniz, Shaftesbury, Herder, um nur einige zu
nennen, lassen sich in ihrer Bedeutung für Goethe und sein Jahrhundert nicht ein-
fach mit den Worten umschreiben, daß sie »doch alle irgendwie Kinder seines
(Plotinischen) Geistes« seien, sondern stellen Transformatoren von so umrüttelnder
Wirkung dar, daß bei dieser Art der Betrachtung, dieser Überdeutlichung und Ver-
dichtung des Verbindungsnetzes die Fäden, welche die historisch oder systematisch
 
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