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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0250
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BESPRECHUNGEN.

237

Hermann Pongs, Das Bild in der Dichtung. I. Marburg, Elwert, 1927.
XX, 513 S. RM. 20.-

In erfreulicher Weise mehren sich seit längerer Zeit der dichterischen Sprache,
dem Sprachkörperlichen in der Dichtung gewidmete Untersuchungen. So liegt es
für die Wissenschaft wenigstens weit zurück, an die Dichtung in erster Linie Stoff-
fragen zu richten und in der sprachlichen Einkleidung nur ein schmuckhaftes Ver-
mittlungsmittel zu sehen, wenngleich noch sonst weiteste Kreise — man denke nur
an die aus solchem Mißverstand geborene Unsitte der Verfilmungen von Dicht-
werken! — unentwegt diesem Irrtum anhängen. Innerhalb des dem Sprachkörper
der Dichtung und seinen dynamischen Wirkungen zugewandten Schrifttums wird
Pongs' »Bild in der Dichtung«, von dem vorläufig der erste Band vorliegt, stets
einen Markstein bedeuten. Mit bewundernswertem Aufgebot an geschichtlichem
Überblick und systematischem wie ästhetischem Eindringen ist hier ein Werk ge-
staltet, wie es im Umkreis ähnlich gerichteter Schriften seinesgleichen sucht.

Pongs beleuchtet mit feinfühligem Verständnis für alle ihre dynamischen Werte
die verschiedenen Fragenkomplexe der Sprache überhaupt, der dichterischen Sprache
im besonderen und vornehmlich der metaphorischen Sprache. Dabei wirft er oft
wertvolle Rückblicke auf die geschichtliche Entwicklung von Wortbedeutungen. Nach
Abschnitten über vorsprachliche Stufen des Ausdrucks (Gebärde, Ornament, Rhythmus)
und Ursprung der Sprache, wo er kurz über die hauptsächlichsten bestehenden
Theorien berichtet und sich im einzelnen mit Streitfragen auseinandersetzt'), kommt
Pongs zur >Sprache als Schöpfung«, seinem eigentlichen Thema. Hier nun wird
nach einigen allgemeinen Betrachtungen die bildliche Sprache des Dichters: Gleichnis,
Bild und Metapher, intensivsten Beleuchtungen unterworfen. Zu einigem Einblick
mögen Unterabschnitte wie: das »objektive oder welthaltige«, »subjektive oder ich-
haltige<, »momentane oder dinghaltige« Gleichnis, die »mythische« und »magische
und mystische« Metapher mit »Schwellformen« und »Randformen« (des deutschen
Barock, expressionistische, impressionistische Randformen) aufgeführt werden. Man
wird kaum irgendwo derartig feinsinnige und treffende Beobachtungen finden, wie
sie Pongs in diesen Abschnitten anstellt. Unterstützt werden die gesamten Ausfüh-
rungen durch außerordentlich zahlreich eingestreute Beispiele aus alt- und mittel-
hochdeutschen Dichtungen, aus Dante, Klopstock, Bürger, Goethe, Schiller, Hölderlin
bis hin zu George, Rilke, Werfel, Becher sowie durch einen umfangreichen Apparat
(48 Seiten) von Anmerkungen und Hinweisen.

Gegenüber solcher Masse höchst wertvoller Einzelbeobachtungen in Verbindung
mit ebenso klar gesehenen Entwicklungs- und Gruppierungstendenzen verstummen
billig einzelne Auffassungs- und Deutungsverschiedenheiten. Wenn ich dennoch
einigen Bedenken Raum gebe, so sind das solche, die das System dichterischer
Bildverwendungen, wie es im Mittelpunkt von Pongs' Ausführungen steht, garnicht
berühren. Sie betreffen vielmehr gewisse Beziehungen, wesentlich philosophischer
Art, deren Bündigkeit bezweifelt werden muß. Pongs stellt eingangs einen Gegen-
satz auf zwischen griechischer und deutscher Sonderart. »Wenn der Grieche jenes
sprachbildende Phänomen [die Metapher] erfaßt als ein ,Herübertragen' vom einen
zum andern nach der Ähnlichkeit, so setzt er voraus, daß die Dinge als ähnliche
da sind und die sprachbildende Tätigkeit allein besteht in einem ,Zwischenhertragen
zwischen', in einem Auffinden und in Beziehungbringen vorgegebener Ähnlichkeiten.
Es weist auf eine Anschauung von der Welt, für die das Sein der Dinge das

') Hierbei muß ich bedauernd erwähnen, daß Ernst Cassirer fast durchweg
als Cassierer geschrieben ist.
 
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