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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0253
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BESPRECHUNGEN.

zeitigen Wahrnehmung von Ton und Farbe ausreichen. Synästhetische Komponenten,
wie sie jeder Wahrnehmung zukommen, sind es vielmehr, die als psychische Grund-
lage die Beziehungen zwischen den akustischen Primärempfindungen und den opti-
schen Sekundärempfindungen bestimmen. Die Parallele Tonhöhe—Farbhelligkeit
wird z. B. von A. Argelander auf einen Faktor »Reihenlage«: zurückgeführt; denn
Tonhöhen und Farbhelligkeiten stehen sich als Wahrnehmungsreihen gegenüber,
innerhalb deren wir jeder einzelnen Wahrnehmung von Ton und Farbe ihren Platz
mit größerer oder geringerer Genauigkeit anweisen können. Die regelmäßige Zu-
ordnung von Tönen mittlerer Höhe und Farben starker Sättigung wird durch den
beiden Sinnesgebieten zukommenden Faktor der »Eindringlichkeit« erklärt, d. h.
ebenfalls durch ein Merkmal der Wahrnehmung, das unmittelbar erkannt wird. Wie
eigens angestellte Untersuchungen ergeben, wird diese Eindringlichkeit (auch be-
urteilt als Hervortreten, Aktivität, Erregung, Leuchten) vor allem den Tönen eines
mittleren Tonbereiches (ein- bis zweigestr. Oktave) und den Farben der langwelligen
Hälfte des Spektrums (vor allem dem Rot) zugesprochen. — Neben den synästhe-
tischen Faktoren wie Reihenlage und Eindringlichkeit tritt die Bedeutung individueller
Momente wie gelegentlicher Assoziationen, Gefühlsbetonung und ähnlichem zurück,
wenn schon diese Momente zur Erklärung der Erscheinungen in bezug auf die
nicht eben geringfügigen individuellen Abweichungen in Frage kommen dürften.

Lassen sich aber die bei den Zuordnungsversuchen wie bei den Photismen
aller Deutlichkeitsgrade feststellbaren Gesetzmäßigkeiten aus synästhetischen Faktoren
eindeutig ableiten, so wird das »echte« Farbenhören als psychisches Phänomen ver-
ständlich, sobald man annimmt, daß sich bei ausgeprägter Visualität eines Menschen
die synästhetischen Komponenten der akustischen Wahrnehmung unmittelbar in
Farbvorstellungen von mehr oder weniger empfindungsmäßiger Deutlichkeit um-
setzen; bei Menschen des visuellen Typus liegen also die Erscheinungen der audi-
tion colorce durchaus im Bereich des Normalen.

Aus der Fülle interessanter Einzelergebnisse Argelanders sei nur die in gestalt-
psychologischer Hinsicht besonders reizvolle Tatsache erwähnt, daß der Umfang
des bei den Versuchen dargebotenen Tonbereiches die »Reihenlage«: der einzelnen
Töne in solch hohem Maße mitbestimmte, daß Tönen der ein- und zweigestrichenen
Oktave Farbcharaktere zugeordnet wurden, die sonst nur Tönen ganz tiefer, respek-
tive ganz hoher Lagen zukommen.

Hamburg. Margarete Eberhardt.
 
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