Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0346
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN.

333

erneut unter dem Titel »Beiträge zur Ästhetik« heraus, deren erstes Heft mir vor-
liegt. Damit erkennt er sie ausdrücklich auch heute noch in einer ganz veränderten
Situation der Forschung als gültig an und stempelt sie zu einem wichtigen Moment
in der gegenwärtigen Auseinandersetzung zwischen dem subjektivistischen Psycho-
logismus und dem Objektivismus.

Im Mittelpunkt steht, nicht nur der äußeren Anordnung nach, eine Untersuchung
im Anschluß an Flauberts Novelle »Un coenr simple«; sie erschien zuerst in den
Blättern dieser Zeitschrift. Schon die Fragestellung ist bezeichnend: Nach den Prin-
zipien, die sich in den Künsten mit wechselndem Schwergewicht seit den ersten
Anfängen geltend machen. Man weiß aus den Diskussionen der Neukantianer, wie
das Wort »gelten< gerade am heftigsten umstritten wurde, bald als objektives Mo-
ment, bald als subjektives Einlegen verstanden wurde und so in die verschiedensten
Bereiche hineinschillerte beziehungsweise aus ihnen heraus. So auch bei Groos:
teils genetisch, teils psychologisch vom Künstler aus, teils als Aufbauwerte des ob-
jektiven Kunstwerks.

Im ersten Teil, Prinzip der Nachahmung überschrieben, ist noch viel von dem
Verhältnis des Künstlers zur umgebenden Wirklichkeit die Rede, wenn auch nicht
von den materialen Erlebnissen, so doch vom formalen Verhältnis der Sprechweise,
der Zergliederung geistiger Eigenschaften und der moralischen Charakterisierung
zur bürgerlichen, milieuhaften Umgebung und »Wirklichkeit«. Es wird als indirekt,
mittelbar, zurückhaltend für Flaubert analysiert; es finden sich wenig direkte Reden;
es werden dazu theoretische Äußerungen aus Flauberts Briefen als Argumente
herangezogen; die Motivationen stammen mehr aus den sinnlich gegebenen Fakten,
der Sensation, als aus geistigen Eigenschaften (reflexion); die impersonalite gilt
geradezu als Programm zur Ausscheidung parteiischer Wörter« moralischer Qualität.

Auch der nächste Abschnitt »Selbstdarstellung« hält die psychologische Einstel-
lung fest, ja zieht sie noch schärfer an, indem er die in der Stoffgestaltung liegen-
den subjektiven Momente herausstreicht und sie des Breileren erörtert. Es wird
konstatiert: 1. Das Visionäre, Halluzinationshafte im Gehalt der Schilderung, 2. die
Einfühlung, die »Gefühle in der Fiktion zur stärkeren Entladung kommen läßt als
in der Realität«, 3. Leiden und Pessimismus, aus der Welteinstellung des Dichters
provenierend, 4. das Religiöse als seelischer Fond, an dem die Realität der Vor-
gänge des Lebens nur als »Verdrängung« auftritt.

Erst der letzte Abschnitt »Prinzip der Stoffgestaltung« stößt in andere Ebenen
vor, beschäftigt sich mit einer Gegenstandsschau, der gegenüber die vorigen Kapitel
als ganz heterogen und diffus sich ausnehmen. Hier zeigt sich die Bruchstelle des
Groosschen Denkens, die Inkonsequenz aller vor dem radikalen Subjektivismus
zurückschreckenden Psychologen. Es sind nur 5 Druckseiten, die sich mit dem Pro-
blem der Struktur auseinandersetzen, nur als Programm gedacht: Sehr interessant,
daß die Forderung der Form als solcher (»schlank und leicht, wie aus dem Nichts
entsprungen«, Schiller) auch hier anerkannt wird, von Wohlklang und Bestimmtheit
des Wortes die Rede ist, die Seele und der Sinn des Wortes und die »aufsteigende
Linie» in der Komposition wenigstens erwähnt werden.

Immerhin reizvoll, wenn auch nicht unverfänglich, ist es, von dieser Flaubert-
Abhandlung »wieder eine Brücke zu schlagen« zu einer Darlegung der Schelling-
schen Kunstphilosophie. Reizvoll deshalb, weil eine ästhetische Betrachtungsart von
der formalen Struktur her einer Gehalts-Ästhetik (Sendling hat zuerst eine solche
getrieben) durchaus nicht im Wege zu stehen braucht, sondern ihr näher ist als die
sogenannte Formal-Ästhetik. Davon steht allerdings nichts in diesem Buch, es be-
schränkt sich darauf, ein Referat der Schellingschen Kunstlehre zu geben.
 
Annotationen