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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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Herrmann, Helene: Macbeth: eine Interpretation
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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0424
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MACBETH. EINE INTERPRETATION.

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Wenn Macbeth in seinen Quaien vom Mahl weg auf den Schloß-
hof flüchtet, alles im Bewußtsein, was seine Tat widerlegt, dann fühlt
man erst das Kommen der Lady als dramatische Notwendigkeit. Ihre
vorwärtsdrängende Gegenkraft allein kann Herr werden über die stille,
ihrer selbst unbewußte Macht dieses Königswesens. Dies Ringen
spüren wir im gepreßten Atem des Dialoganfangs, wenn die Worte
kurz und heiß einander folgen, Frage und Gegenfrage knapp und
hastig nach einander greifen:

»How now? What news?
He has almost supp'd. Why have you left the Chamber?
Math he ask'd for me?

Know you not, he has?*

In die kämpfende Seele des Mannes greift ein unverrückbarer Wille.
Die Höhe ihrer Macht hat die Lady, als sie das: »/ am settled!«. von
Macbeth erobert. In dieser Szene erscheint ihre Bedeutung für die Tat
überaus stark. Wie in alten Sagenliedern wirkt hier die Reizrede der
Frau einen Entschluß. Und in eben der Szene hat auch diese Schick-
salsliebe ihren Höhepunkt, Macbeth' Ausruf der Bewunderung:

»Bring forth mcn-children only!
For thy undauntcd mettle should compose
Nothing bat malest

Was sie als Element ist, staunt er an, das was weiter aus ihr Leben
schaffen würde. Noch hier im Ausbruch menschlichsten Begehrens,
ist das mehr als Menschliche, das mit dem Weltstoff Verbundene be-
zeugt.

Erst nach dieser Szene wird unserem Eindruck von der Macht
der Lady wieder die Grenze gesetzt.

Der Dolchmonolog verdichtet die Bewegung des ganzen Werkes
im szenischen Bild. Das wird noch klarer, wenn man beachtet, wie
der Dolchmonolog aus den vorhergehenden Szenen aufsteigt, dem
Akteinsatz, wenn Banquo in den Schloßhof hinaustritt in die Sturm-
nacht ohne Sterne. Das beklommene Zwiegespräch mit dem Sohne,
der kurze Dialog mit Macbeth voll künftigen Unheils, all das bezeugt,
mit was für einer Macht Macbeth zu ringen hat. Unsichtbar fegt sie
jetzt ums Dach im Wind, Banquo fühlt ein Etwas gegenwärtig. Die
Sterne bergen sich, er gibt sein Schwert ab, wie in Angst vor Taten,
die in ihm schlafen, er fordert es wieder wie auf der Hut vor Feinden.
Den Druck wie Blei, der ihn doch schlaflos läßt, deutet er nicht klar
als Gegenwart des Bösen, ergreifender, weil unwillkürlich, bricht diese
Angst aus dem festen Manne als ein Gebet an die guten Dämonen:

»merciful powers!
Restrain in me the cursed thoughts that nature
Gives way to in repose!*
 
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