Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

DOI Artikel:
Herrmann, Helene: Macbeth: eine Interpretation
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0426
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MACBETH. EINE INTERPRETATION.

413

diese Szenen emporweisen. Der Dolchmonolog. Er ist die Brücke vom
ersten zum zweiten Leben Macbeth'. Der Augenblick, da die Riegel
springen und der Dämon aus dem Innern heraustritt in die Welt, in
der Rüstung des Entschlusses mit dem Werkzeug der Tat. Es ist in
dem gewaltig gespielten Kampf zwischen Begier und Grauen, dessen
mimische Lebendigkeit die Worte zu Gebärden macht, daß der Strom
einschießt in sein neues Bett. Dieser Kampf zwischen Blut und Urteil,
ein immer neues, immer gesteigertes Vor und Zurück des Willens, ist
ein Gipfel der dramatischen Bewegung. Aber in dieser Szene wird
überhaupt der Wurzelgrund der Dichtung sichtbar, das, wodurch sie
nicht ein Drama, sondern gerade dieses Drama »Macbeth« ist. Und
davon hat wieder der Augenblick seine einsaugende Kraft. Wenn der
Täter das Werkzeug der Tat bald wesenhaft schweben sieht, bald
sich besinnt, es könne ja nichts sein als Luftspiegelung seines Wun-
sches, wenn dieses Abschütteln der Vision ihn nicht befreit, weil er
nur klarer weiß: »ich zeuge, ich gebäre die Tat, die doch außer mir
da ist, die mich will«, so ist hier ja das ganze Drama in eine mensch-
liche Sekunde gedrückt: das Ineinandergreifen der innerweltlichen und
außenweltlichen Dämonie, das völlige Einswerden eines Menschen und
seines Schicksals. Dieser Kampf wird ausgefochten in einer raumlosen
Einsamkeit, das Bild vor Augen, das die Unsichtbaren in die Luft
zeichnen. Nun aber bricht in dieses Alleinsein die Stimme der Außen-
welt und mahnt an den irdisch gemäßen Augenblick: jetzt oder nie.
Es ist das Glockenzeichen der Lady. Und erst diese Stimme reißt
Macbeth aus der fast lähmenden Trunkenheit des Willens, bis er
selbst empfindet: »words to the heatof deeds too cold breath gives«. Dann
aber: »tke bell invites me!« Der Weg ist frei in die Welt aus der Höhle
des Ich. Damit aber ist nun auch der eigentliche Anteil der Lady
wieder bestimmt: sie reißt die Tat aus dem Spukbereich von Welt
und Seele in die Wirklichkeit. Sie macht sie irdisch unwiderruflich.
• Neu begrenzt erscheint die Gewalt der Lady vor allem in der Szene
nach dem Mord. Macbeth ist ganz allein mit seiner Tat, die Treiberin
und Helferin steht jetzt weit weg von ihm. Die ersten Worte sind
noch ein wirklicher Wort-Wechsel. Stärker wiederholt sich die For-
mation der früher beschriebenen Szene.

Noch greift die Erregung beider ineinander — dann aber sprechen
sie aneinander vorbei. Macbeth' Blick auf die blutigen Hände, das
Hineingrübeln in die Unbegreiflichkeit seines neuen Lebenszustandes
zeigen ihn in sich verloren. Er beharrt in Selbstqual auf der Frage,
warum er nicht »Amen« sagen konnte zum »Gott gnad' uns!« der
Schlaftrunkenen, und die Mahnung der Frau: Consider it not so dceply<
und »These deeds must not be thought After these ways...« erreicht seine
 
Annotationen