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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0463
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BESPRECHUNGEN.

Weise trennen beide das Kunstwerk vom Machwerk, den Poeten, den echten
Künstler vom Artisten und Virtuosen, die wahrhaft schöpferische Phantasie von der
schweifenden Einbildungskraft.

Was uns Langes Schrift so wertvoll macht, ist, daß sie das durch kritische
Selbstbesinnung gewonnene Bewertungsorgan eines feinsinnigen Menschen darstellt,
der praktisch viel mit bildender Kunst zu tun hat, für den es daher ein Postulat
beruflicher Selbsterhaltung ist, über kritische Prinzipien zu verfügen, die wirklich
praktisch brauchbar sind. Daher bleibt Lange in den Darlegungen dieser Schrift
niemals bei der rein theoretischen Formulierung stehen, sondern gibt immer auch
den lebendigen Fall. Es ist interessant, neben diese kritische Doktrin Langes eine
seiner praktisch-kritischen Schriften zu halten, etwa den »Strejftog i Verdens-kunst-
udstillingen i Wien 1873«, und zu sehen, wie Lange die Probe aufs Exempel macht.
Ihn blendet — um ein Beispiel herauszugreifen — anfangs Makarts pompöse
»Caterina Cornaro«, später gelangt er zur Überzeugung, daß es sich hier um ein
Sensationsbild, ein virtuos-artistisches Machwerk handle. Interessant ist die Argu-
mentation, mit der er dieses Urteil dann begründet. Leider verbietet die Enge des
Raums, sie anzuführen. — Es ist also die praktische Bewährung dieser kritischen
Sätze, die sie uns wertvoll macht. Dabei ist aber nun anderseits wieder wichtig,
daß diese kritischen Prinzipien nicht willkürlich aufgerafft und isoliert-zufällig hin-
gestellt sind, sondern einläßliche systematische Fundierung und umfassenden Aus-
bau erfahren. Dabei kommt Lange auf manche ästhetische Probleme, die mit seinem
Thema nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Eine Kritik dieser Ausfüh-
rungen im einzelnen erübrigt sich; man darf niemals vergessen, wann diese Ge-
danken konzipiert worden sind. Die Zeit hat hier manches korrigiert. Vieles von
dem, was Lange noch eifrig diskutieren zu müssen glaubt, ist heute kein Problem
mehr. So fällt es heute wohl keinem Ästhetiker mehr ein, die Kunst auf »das Schöne«
festlegen zu wollen. (Bei Th. A. Meyer, der das zu tun scheint, liegen termino-
logische Besonderheiten vor.) Wir wissen ferner, daß die zur Anwendung gebrachte
ästhetische Kategorie des »Reinschönen« noch nicht den ästhetischen Wert verbürgt.
Die realistischen Anschauungen, die Lange gegen gewisse Einseitigkeiten der früheren
idealistischen Ästhetik vorbringt, sind heute Allgemeingut. Völlig unproblematisch
ist für uns ferner die doppelte Rolle des Schönheitsbegriffs: seine Verwendung zur
Bezeichnung einer ästhetischen Grundgestalt, des »Schönen im engeren Sinn«, ferner
sein Gebrauch als Synonymon für das ästhetisch Wertvolle überhaupt. Diese Dinge
sind aber für Lange keineswegs die Hauptsache.

Gleich die ersten Seiten des ersten Vortrags formulieren das Zentralproblem
mit jener wohltuenden Klarheit, die ein Vorzug des ganzen Buchs ist. Worin liegt
der Unterschied zwischen guter und schlechter Kunst? Vorausgeschickt muß werden,
daß Lange den allgemeinen Wert der Kunst, d. h. ihre menschliche und kulturelle
Bedeutsamkeit, nicht beweist, da er ihn mit Recht durch das unmittelbare Erleben
garantiert sieht. Es handelt sich ihm um die VC'ertunterschiede innerhalb der in ihrer
allgemeinen Werthaftigkeit unanzweifelbaren Kunstsphäre. — Das Werturteil über
ein Kunstwerk ist durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet: es ist relativ und
objektiv. Der erste Begriff darf nicht mißverstanden werden. Lange meint hier nicht
die Ansicht des ästhetischen Relativismus, daß eine und dieselbe Kuiistgegebenheit
je nach der Beschauerpersönlichkeit, auf die sie trifft, verschieden wirkt, daß sich
daher über Wert und Wirkung keine allgemein gültigen Gesetze ausmachen lassen.
Er meint vielmehr nur, daß es sich hier um Gradunterschiede handle, zwischen
zwei Bildern Wertrelationen bestehen, eine Wertvcrgleichung möglich ist. Das künst-
lerische Werturteil ist ferner objektiv. Das heißt: obzwar der künstlerische Wert
 
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