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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0465
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452

BESPRECHUNGEN.

künstlerische Erlebnis liegt der eigentliche Kunstwert. Nach Langes Definition be-
steht also der Kunstwert in dem Wert, den der Vorwurf für den Schaffenden hatte,
jedoch nur unter der Voraussetzung, daß der Künstler mit seiner Darstellung des
Gegenstands diesen Wert auch für den Betrachter auszudrücken vermochte. Ein »guter
Mensch und schlechter Musikant« kann noch so viel für einen Gegenstand übrig
haben — ohne die Fähigkeit, dieses starke Gefühl in einer künstlerischen Technik
adäquat kundzutun, ist es künstlerisch wertlos. Das Technisch-Formale versteht sich
für Lange immer von selbst. — Lange kommt dann zu interessanten konkreten
Ausführungen über die innere Harmonie des Kunstwerks, die nur aus einem ein-
heitlichen und starken Erlebnis hervorgehen kann. — Die moderne Ästhetik kennt
eine elementare Dualität der Kunsteinstellungen (-funktionen und Wirkungen), die
man als Ausdruck-Formschönheit, Einfühlung-Kontemplation, Leben-Harmonie usw.
umschreibt. Lange stände, wenn ihm diese Zweiheit bewußt geworden wäre, durch-
aus auf der Seite des sympathisch erfaßten Lebens, der Einfühlung. Mit der Erfül-
lung formaler Postulate (z. B. des Gesetzes der Harmonie) ist nichts getan. — Die
tautologische Bestimmung: gute Kunst ist, was die guten Künstler schaffen, gibt
ihm Gelegenheit zu einer ausgezeichneten Wesensschau der künstlerisch-genialen
Veranlagung. Die enthusiastische Haltung des Künstlers, sein Gegensatz zum Tat-
menschen, seine sensitiv-impressible Eigenart usw. werden gut herausgearbeitet.

Der zweite Vortrag ist im wesentlichen eine ausführliche Verteidigung des im
ersten Vortrag vorgebrachten Grundgedankens gegen die kritischen Einwände des
norwegischen Philosophen M. J. Monrad. Dieser glaubt, daß Langes Auffassung zum
einseitigen Subjektivismus führen müsse. Lange betont nun neuerdings mit allem
Nachdruck, daß dieses »Interesse des Autors für seinen Stoff« nicht äußerlich gefaßt
werden darf, sondern allein in intensivem Sinn als die durch die Anteilnahme des
Künstlers erfolgte für den Beschauer merkbare Beseelung, packende Ausgestaltung.
Er gibt nun eine verbesserte Fassung. »Der Kunstwert ist der Wert, den der Stoff
für den Hervorbringenden hatte, welchen Wert der Gegenstand durch die Darstel-
lung desselben weiterhin für uns erhält.« Das extensive Verhältnis des Autors zum
Stoff soll nicht in das Bewußtsein des Beschauers treten. Damit erledigt sich die
Auffassung, als wollte Lange einer stoffhubernden Biographieschnüffelei das Wort
reden, wie sie manche der früheren Goethe-Philologen trieben, die zu jeder Dich-
tung das als Modell dienende menschliche Erlebnis aufzuspüren trachteten.

Der Standpunkt des Autors ist ein durchaus gehaltsästhetischer. Von den so
häufigen populären Vergröberungen ist seine Einstellung jedoch völlig frei. Gelegent-
lich nähert sich Lange sogar dem Part pour Part-Standpunkt. Die alte Frage, ob
der Wert, den der Gegenstand als solcher direkt für den Beschauer hat, für den
eigentlichen Kunstwert in Betracht kommt, wird von ihm verneint. Man könnte die
Frage auch so fassen: muß das Kunstwerk ein an sich Menschlich-Bedeutungsvolles
zum Gegenstand haben (bedeutsame seelische Konflikte, volles, reiches Leben) oder
wird die vom wertbeanspruchenden Kunstwerk in allen Fällen zu fordernde mensch-
liche Bedeutsamkeit lediglich durch die Art der künstlerischen Darstellung erreicht.
Lange würde das Letzte behaupten und damit den Anschluß an die Gruppe der
Part pour /W-Künstler finden, die der Ansicht sind, daß das elendeste Stück Wirk-
lichkeit (Kehrichthaufen, Rübenfelder) künstlerisch geadelt wird, sobald eine ent-
sprechende künstlerische Hingabe hinter ihm steht. Tatsächlich hat es Maler
gegeben, die mit fanatischer Liebe die Wirklichkeit gerade in ihren niedrigen und
banalen Erscheinungen erfaßt haben. Man denke an die Naturalisten und Impres-
sionisten des 19. Jahrhunderts, an manche Niederländer, an die Rhyparographen der
Antike usw. — Nach den äußeren Lebenswerten ist eine ästhetische Wertgliederung
 
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