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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0503
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BESPRECHUNGEN.

die Wortstellung und Wortschöpfung in zahlreichen Unterabschnitten behandelt.
Eine Fülle bemerkenswerter Beobachtungen wird hier vorgelegt, die von ebensoviel
feinem Sprachgefühl wie gesundem Urteil zeugen. So ist zu hoffen, daß sich Kiese-
ritzkys Buch neben anderen Versuchen zur Pflege deutscher Sprache wie etwa denen
von E. Engel, R. M. Meyer, O. Weise, W. Wustmann durchsetzen wird.
Greifswald.

-- Kurt Gassen.

Willi Flemming, Das Wesen der Schauspielkun st. Rostock o. J., Hin-
storff. 140 S.

Auch wenn man einer Kunst mit den Werkzeugen der Wissenschaft zu Leibe
will, muß künstlerische Veranlagung, eine besondere Blutmischung dabei Hilfe leisten.
Blitzartig wird mir so in den Ausführungen Wölfflins und Bodes das Wesen eines
Gemäldes, einer Plastik aufgehellt, oder durch Avenarius ein Gedicht der Droste.
Und nicht nur ein Gemälde, eine Plastik, ein Gedicht, sondern gleich die ganze
Kunstübung, zu der sie gehören. Für die Schauspielkunst wären etwa Laube und
Martersteig als solche latente Begabungen zu nennen.

In Flemmings Versuchen vermisse ich diesen Einschlag. Zudem scheint es, als
habe er zu wenig starke schauspielerische Leistungen gesehen. Auch wo er Kainz
und Moissi nennt, werden sie nicht lebendig. Daß er, der sparsam auf einschlägige
Arbeiten verweist, Anatole France und auch bei ihm nur eine Romanfigur als Kron-
zeugin aufruft, empfinde ich als Entgleisung. Vor allem aber gibt er sich viel zu
viel mit den Handwerkern der Darstellung ab, die mit einer gewissen Geschick-
lichkeit etwas nachmachen«, und mit den Laienspielern, die trotz der »magischen
Wurzel« Flemmings mit der eigentlichen Schauspielkunst so gut wie nichts gemein
haben. Er scheint auch »theatralische Gebärden« und das rollende Bühnen-R< , die
er aus den Passionsspielen mit Recht verbannt wissen will, noch für einen künstle-
rischen Bestandteil der Berufstheater zu halten. An welche Bühne denkt er dabei?

Wenn er Dramaturg und Regisseur in ihrem Verhältnis zur Dichtung und Auf-
führung abgrenzt, so ist das nur papieren. In Wirklichkeit läßt sich kein Regisseur
vom Dramaturgen in die Textbehandlung hineinreden. Wie primitiv ist seine Auf-
fassung, den rezitierenden Schauspieler als jemand hinzustellen, der »zum Publikum
redet«, den spielenden dagegen als jemand, der »nicht zur Zuschauerschaft, son
dem zu seinem Partner« spricht! Das erste mag vorkommen, wo ein kleiner Theater
routinier Gedichte aufsagt, das zweite paßt weder auf solche Handwerker noch auf
Künstler: die haben zwei Fronten, an die sie sich wenden, den Partner auf der
Bühne und das Publikum im Zuschauerraum. Weiß der Verfasser nicht, daß schon
der Dichter und oft durch den gleichen Satz das Publikum aufklärt und den Partner
einlullt! Das wäre ein schlechter Schauspieler, der hier nicht zu beiden spräche-
Aber freilich, die Trennungslinie ist nur mit zarten Sinnen abzutasten.

Flemming nimmt eine magische und eine mystische Wurzel für verschieden
artiges Schaffen an und differenziert beide nicht recht einleuchtend. Vielleicht hätten
sie sich besser zusammenlegen lassen als eine geheimnisvolle Unterströmung. Wohl
aber fehlt mir neben seiner mimischen Wurzel die klangliche. Das wird in heutiger
Zeit besonders klar, wo sich das Theater in eine Film- und eine Rundfunkhälfte teilt.

Ich glaube, die Forschung ist für eine wissenschaftliche Formulierung noch
nicht reif. Fürs erste sollte man recht fleißig hervorragende Einzelleistungen, soweit
es möglich ist, fixieren und vom Einzelnen langsam zum Vielfachen, endlich zur
Verallgemeinerung fortschreiten.

Berlin. Ferdinand Gregori.
 
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