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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0505
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BESPRECHUNGEN.

Doch für die andern — immer »Theaterblut« vorausgesetzt! — können solche
Institute zu großem Segen werden, wenn sie erst ihre Kinderkrankheiten über-
wunden haben und vor allem auch materiell besser fundiert werden können, als in
unseren tristen Zeiten. Ihr größtes Plus ist die Probebühne, die — das scheint mir
Knudsen nicht genügend zu betonen — für regietechnische Übungen und Versuche
ebenso wichtig ist wie für theatergeschichtliche Rekonstruktionen. Allerdings: auch
der Universität gegenüber muß ihre Stellung gefestigt werden, was am allerbesten
durch Leistungsbeweise in strenger Wissenschaft geschieht. Dann wird trotz der
starken traditionellen Abneigung, die in philosophischen Fakultäten gegen alles
irgendwie Pragmatische herrscht, der jüngsten sezessionistischen Nachfolgerin der
Bildkunst- und der Musikwissenschaft volle Befreiung aus der Fremdherrschaft der
deutschen Philologie — nebenbei gesagt ist es mir aus verschiedenen Gründen
immer unerfindlich gewesen, warum Knudsen und einige andere von den älteren
Herrmann-Schülern so starr an dem einseitigen und ohnehin etwas schiefen Aus-
druck »Theaterphilologie« festhalten! — und damit volle Prüfungsberechtigung nicht
länger versagt werden können (nach dieser Richtung hin wäre eine etwas ein-
gehendere Orientierung über die — übrigens in der neuen Zeitungswissenschaft ziem-
lich parallelliegende — Kampfsituation, ihre Ursachen und Aussichten, nicht zuletzt
aber auch über die nötigen und zweckmäßigen Kampfargumente sehr wünschens-
wert und nützlich gewesen!). Daß die gleichstrebende »Allgemeine Kunstwissen-
schaft« ihr dabei Hilfsstellung leisten kann und muß, leuchtet ebenso ein, wie die
Tatsache, daß sie dabei nur sich selbst hilft und gleichen Dienst zurückerwarten
kann. Denn es ist nur logisch, daß der Verfechter einer selbständigen Wissenschaft
vom Theater, die sich aufbaut auf den Grundsätzen von der Eigenheit ihres Gegen-
standes und der daraus folgenden Eigengesetzlichkeit ihrer Methodologie, zugleich
ein Verfechter der »Allgemeinen Kunstwissenschaft« sein muß. Mehr noch als alle
anderen Teilkunstwissenschaften ist die Theaterwissenschaft auf allgemeine Kunst-
erkenntnisse angewiesen. Denn sie steckt noch ganz in ungeklärten Anfängen und
die Ästhetik allein hilft ihr nicht.

Im übrigen findet man an stofflichem Inhalt in Knudsens Schrift eben das,
was man bei solcher Themenstellung zu erwarten pflegt, und das übersichtlich,
knapp und doch so gut wie lückenlos: Wesen, Entwicklung, Aufgaben und Organisation
des neuen Wissenszweiges und Lehrfachs. Mit Recht ist auch die auf inneren und
äußeren Gründen — nicht zuletzt auf Max Herrmanns überragender Leistung und
Tätigkeit — beruhende besondere Bedeutung Berlins (gegenüber den anderen vier
einschlägigen Universitäten: Köln, Kiel, München und Frankfurt) in diesem Zu-
sammenhange hervorgehoben.

Berlin-Wilmersdorf. Heinrich Härle.

Hans Doerry, Das Rollenfach im deutschen Theaterbetrieb des
19. Jahrhunderts. Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte Bd. 35.
Berlin 1926. 147 S.

Doerry setzt im ersten Drittel seines zuverlässigen Buches zunächst Diebolds
Arbeit über das Rollenfach im 18. Jahrhundert fort und bestimmt die Grenze, an
der die alten Fachbezeichnungen zu Ende kommen, etwa mit dem Jahre 1830. Denn
nicht die Heroen der Literatur wie Kleist oder Hebbel bestimmten eine Änderung
der Rollenfächer, sondern die französischen Gesellschaftsdramatiker in Scribes Ge-
folge, zu dem in Deutschland vornehmlich Bauernfeld in Wien gehörte. In dem
neuen Konversationsmilieu findet Doerry als wichtigste Neulinge der Szene die
»Salondame und den Bonvivant«, die seit der Mitte des Jahrhunderts das moderne
 
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