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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0103
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BESPRECHUNGEN

89

Rafael Koskimies: Theorie des Romans. Helsingfors, Finnische Lite-
raturgesellschaft, 1935. 275 S. (Annales Academiae Scientiarum Fennicae.
B. 35, 1.)

In der Wertung der Literaturgattungen pflegt dem Roman zu Unrecht meist ein
niedrigerer Rang zugewiesen zu werden und so gibt es auch nur wenige Unter-
suchungen — im deutschen Schrifttum vor allem die von Blankenburg, Keiter, Spiel-
hagen, Lukacs1) —, die seiner Theorie gewidmet sind. Daher wird eine neue Theorie
des Romans, wie der Dozent an der Universität Helsingfors und Herausgeber der
finnischen kritischen Zeitschrift Valvoja-Aika Rafael Koskimies sie hier vorlegt,
die zugleich auch die neuesten Ergebnisse moderner Oesamtpoetik und -ästhetik in die-
sen Fragen mit verarbeitet und wohl angetan ist, das Ansehen des Romans als
Kunstform in seine vollen Rechte wiedereinzusetzen, dankbar begrüßt werden.

Um seine Einschätzung sowie seine Beurteilungsart der literarischen Gegeben-
heit „Roman" deutlich zu machen, schickt der Verfasser einige grundlegende Erörte-
rungen voraus. Und zwar haben diese zum Hauptgegenstand jene methodischen Ge-
gensätze der Kunstbetrachtung, wie sie nach dem Verfasser etwa durch die Namen
Croce und Dessoir bezeichnet werden. Auf der einen Seite wird „historische Auf-
fassung und Schilderung der Künste" gefordert, Betrachtung der künstlerischen Ein-
zelerscheinung als Erzeugnis einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Künstlers,
wobei auch die rein ästhetischen Kriterien ihre Erklärung in den historischen Ver-
hältnissen finden. Hier droht die Gefahr einer einseitigen, sozusagen naturwissen-
schaftlich-positivistischen Betrachtungsweise, daß man sich nämlich begnügt mit Be-
schreibung und historischer Erklärung ohne systematisch-kritischen Maßstab. Dem-
gegenüber wird auf der andern Seite gefordert, das Kunstwerk gerade „in seinem
eigentlichen künstlerischen Wesen und nicht lediglich als historische Erscheinung
oder als Ergebnis eines individuell-psychologischen Schöpfungstriebes" zu beurteilen.
Der Verfasser steht auf letzterem Standpunkt, den er in seiner Begründung und seinen
Folgerungen außer durch Berufung auf Dessoir noch durch mancherlei Zeugnisse
etwa von Utitz, Müller-Freienfels, Moog oder Pongs bekräftigt. Jede Kunst-
geschichte bedarf neben der Beschreibung auch der Ästhetik, denn historische und
erlebnispsychologische AAethode versagen, sobald es sich um die rein künstlerischen
Wesenszüge eines Kunstwerks handelt. „Ein angemessenes Außerachtlassen der
historischen und der erlebnispsychologischen Seite auf dem Gebiet der verschiedenen
Zweige der Kunsttheorie ist auch darum methodisch wichtig, weil sich lediglich mit
einer betont ästhetischen Forschungsweise auch die beste Grundlage für die eigent-
liche Kunstkritik in des Wortes weitester Bedeutung schaffen läßt." Freilich müssen
die Kriterien solch ästhetischer Forschungsweise weit genug gespannt sein, um auch
historische und erlebnispsychologische Momente in sich aufzunehmen. Was für die
allgemeine Kunstbetrachtung gilt, gilt ebenso für die Literaturbetrachtung. Auch hier
schafft entsprechend Poetik und literarische Stilforschung die natürliche methodolo-
gische Grundlage für jegliche literarische Kritik. In dieser Richtung haben auch man-
cherlei neuere Untersuchungen zur Poetik (beispielsweise von Ermatinger, Ingarden,
Petsch, Walzel) gewirkt, und in allen diesen Untersuchungen finden sich natürlich

>) Seit Lukacs' „Theorie des Romans" (1916) ist im Ausland, vornehmlich in
Frankreich, manch wertvolle Untersuchung über den Roman erschienen. Ich nenne
nach Koskimies etwa Albert Thibaudet: Le liseur de romans (1925), Edmond
Jaloux: Au pays du roman (1931), Francois Mauriac: Le römancier et ses
personnages (1933). Beachtenswerte Beiträge enthält auch das Buch des Engländers
Harrold Weston: Form in literature (1934).
 
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