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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 32.1938

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Balet, Leo: Synthetische Kunstwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14217#0126
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Ruhe, es erreicht nie ein Ende, es bleibt ein endloser Prozeß. Die Kenntnis
liegt bei der synthetischen Wissenschaft also nur auf dem Wege des Ken-
nens, die Kenntnismethode ist eine dialektische Methode.

Das Problem, wie wir es am Anfang unserer Untersuchung stellten,
hat sich inzwischen wesentlich vereinfacht durch die Feststellung, daß die
wissenschaftliche Methode jeweils durch die individuelle Form der Wissen-
schaft bedingt wird. Mit der Methode brauchen wir uns also nicht näher
zu befassen. Bleibt folglich nur die eine Frage: spezialisierte oder synthe-
tische Wissenschaftsform.

Bei der Untersuchung dieser Frage müssen wir von der in der Wirk-
lichkeit geltenden und empirisch festzustellenden Wahrheit ausgehen, daß
die Erkenntnisform jeweils bedingt wird durch das Erkenntnisobjekt.

Alles dreht sich also hier um die Frage, welches ist das Objekt der
Kunstwissenschaft, anders formuliert, was ist ein Kunstwerk?

Das Problem hat sich hiermit von der Philosophie der Wissenschaft
zur Philosophie der Kunst verschoben.

Wir werden um eine kurze Auseinandersetzung mit der wissenschaft-
lichen Ästhetik nicht herumkommen, weil diese, ganz egal ob sie sich als
romantischer Idealismus, rationalistischer Realismus, intellektualistischer
Positivismus oder soziologischer Positivismus gibt, diese Frage längst be-
antwortet hat. Alle ästhetischen Richtungen sind sich darüber einig: Kunst
ist Schönheitsrealisierung.

Wir können uns mit dieser Definition nicht ganz einverstanden er-
klären.

Wer das Wesen der Kunst untersuchen will, hat zwei Dinge zu
beachten:

Ausgangspunkt der Untersuchung kann nur die Wirklichkeit sein, also
die konkreten Kunstwerke selbst. Gehen wir von irgend einem Begriff aus,
so schweben wir in der Luft. Die sogenannte Nachprüfung des Begriffes
an der Wirklichkeit wird sich stets als eine grobe Selbsttäuschung heraus-
stellen, weil das Resultat der Nachprüfung schon von vornherein feststand.

Der zweite Punkt ist: Das Untersuchungsfeld muß möglichst weit
gesteckt werden. Eine Untersuchung, die sich nur auf eine bestimmte
Kategorie von Kunstwerken beschränkt, läuft die größte Gefahr, irre zu
führen, selbst wenn sich nach allgemeiner Ansicht in dieser Kategorie von
Werken, z. B. in den Meisterwerken der griechischen Klassik, das Kunst-
sein in der meist hervorragenden Weise manifestieren sollte. Man riskiert
das Wesen der Kunst zu verkennen und das dafür zu halten, was schließ-
lich nur eine Eigenheit dieser besonderen Klasse von z. B. nur „schönen"
Kunstwerken ist, die analysiert wurden.

Die Ästhetik hat unseres Erachtens diesen Fehler tatsächlich gemacht:
sie hat die Realisierung der Schönheit, die in der Klassik und den mit der
 
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