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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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Bab, Julius: Film und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0190

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FILM UND KUNST. / 183

Eigenart des Films besteht darin, daß nach vollkommen freier Will-
kür Bilder bewegt und zu lebendigem Schein verbunden werden können.
In dieser Definition stecken zwei Begriffe, die an das Material erinnern,
durch das bisher bekannte Künste wirken. — Zunächst das Bild.
Da der Film wie jede Photographie die Möglichkeit hat, schöne
Bildwirkungen nach Art der Schwarzweißkunst hervorzubringen, so
hat man versucht, ihn als bildende Kunst anzusprechen, ihn womög-
lich unter die Gesetze der Malerei oder der Graphik zu stellen. Aber
dem widerspricht nun aufs entschiedenste gerade das Element der
Bewegung, das diese Bilder nie in Ruhe läßt, sondern zu einem un-
unterbrochenen Lebensfluß verbindet. Die tiefste Wirkung aller male-
rischen und zeichnenden Künste beruht ja gerade darauf, daß sie das
Leben in einem bestimmten Moment zum Stehen gebracht haben, daß
aus der nie ruhenden Kette der wirklichen Bewegung ein Augenblick
ausgeschnitten scheint, der aber nun in so durchaus übernatürlicher
Weise mit Ausdruckskräften beladen wird, daß er, der einzelne
stehende Moment, ein Gefühl von der Gesamtheit des Lebens ver-
mittelt, wie es so stark und so faßbar die Kette der hinschwindenden
Augenblicke niemals zu geben vermag. In der bildenden Kunst scheint
das Zeitmoment ausgeschaltet. Und dies sonst an unserem Leben mit-
bauende Gefühl scheint gleichsam in die Raumtiefe gezogen, mit-
arbeitend am Erlebnis eines sonst nie in solcher Bedeutungstiefe an-
geschauten Raumteils. Hier liegt nun vielleicht ein entscheidender
Einwand gegen die absolute Malerei, die keine Stücke der lebendigen
Schöpfung wie Menschen, Tiere, Pflanzen oder letzten Endes auch
Steine darstellen will, die ja alle auf dem Wege phantastischer Ein-
fühlung unseren Blick in die Zeittiefe lenken. Das außernatürliche
Ornament, die bloße farbiglineare Bildung kann uns vielleicht deshalb
seelisch nicht ausfüllen, weil sie wirklich ein reines Raumerlebnis
bleibt, auf keine Weise Ersatz liefert für das Zeiterlebnis, das, wenn
auch in verwandelter Gestalt in der übrigen Malerei mitschwingt. Dies
aber ist nun gerade der Punkt, wo der Film, dessen noch so schöne
Naturaufnahmen innerhalb einer Bewegungsfolge nur sehr sekundären
künstlerischen Wert haben, doch als bildende Kunst schöpferisch werden
könnte. Er kann die absolute Malerei in Bewegung setzen
und ihr so das fehlende Zeitmoment schaffen, er kann eine Farben-
und Linienmusik anstimmen. Derartiges hat z. B. der Maler Walter
Rutmann in sehr interessanten Arbeiten versucht. Eine Folge von vielen
hundert verschiedenfarbig geballten und gestreckten Linien und Kurven,
Körpern und Strahlen verwandelt der kinematographische Apparat zu
einem zusammenhängenden Augenvorgang. Wenn, wie hier von den
experimentierenden Psychologen behauptet wurde, ein Musizieren im
 
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