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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0343

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336 HEINRICH JACOBY.

sonderes«, ihr »Künstlerisches« beruht ja meist nur auf der relativen
Seltenheit einer ungehemmten Ausdrucksfähigkeit, nicht aber auf der
Ungewöhnlichkeit und Seltenheit des von ihnen Ausgedrückten! Wir
sehen also, daß mit der Entwicklung einer allgemeinen Ausdrucks-
fähigkeit — der einzigen und ersten Voraussetzung für das Vorhan-
densein einer lebendigen Kultur — auch die Kunst nur gewinnen
kann. Sie wird sich dann erst — allerdings als ein gegenüber der
heutigen Ausdehnung nur noch ganz verschwindend kleiner Bereich —
rein und deutlich von den allen möglichen Leistungen einer nur zu-
fällig ungehemmten Ausdrucksfähigkeit, die jetzt ob ihrer relativen
Seltenheit fälschlich auch als »Kunst« eingeschätzt werden, abheben.
Es ist hier für die Musik dargelegt worden, daß sich das Wesent-
liche stets nur durch Abkehr vom »Stoff« erschließt und daß es sich
dann jedem durch die Gewinnung einer ganz bestimmten Haltung
erschließen wird. Wenn das wirklich wahr ist, so können diese Ein-
sichten und Feststellungen nicht nur für ein bestimmtes Gebiet, für
einen bestimmten Stoff Gültigkeit haben. Das, was ich hier am Bei-
spiele der Musik klarzumachen versucht habe, ist etwas so Grund-
sätzliches, daß wir statt Klang ebensogut Farbe, Linie, Körper, Raum
oder Wort setzen könnten. Die wenigen Grundeinsichten und Grund-
forderungen, die uns bei der Musik zu bestimmten Schlüssen und
Erfahrungen geführt haben, müssen, wenn sie nur wirklich klar erfaßt
und konsequent durchgeführt werden, auch auf allen anderen Ge-
bieten zu denselben Resultaten führen. Wir müssen nur dafür sorgen,
daß wirklich von den gleichen Grundforderungen ausgegangen wird:
von der scharfen Begrenzung des betreffenden Gebietes;
von der Ausschaltung der irreführenden »Kunst«-Einstellung;
von der Feststellung der Allgemeinheit aller Ausdrucks-
möglichkeiten mit ihren gesetzmäßigen Grundlagen — bis
zur Vorstellung eines »absoluten« Vorbildes. Von derTren-
nung zwischen absolutem Vorbild und seiner Anwendung
im Ausdruck; von der Feststellung des Vorhandenseins
von Gesetzmäßigem, von »Notwendigem«, und von dadurch
gegebenem »Möglichem«; von der Notwendigkeit der Son-
derung zwischen Stoff und Funktion; von der Scheidung
zwischen Möglichkeiten im Stoff und zwischen Möglich-
keiten im Bereich der Funktionen — und schließlich von
jener grundsätzlichen psychologischen Umstellung, die
eine Abkehr vom Stoff, Abkehr vom »Aufnehmen«, Aus-
schaltung der falschen Aktivität und des vorzeitigen Ver-
stehen- und Begreifenwollens bedeutet — bis zu der sich
daraus von selbst ergebenden praktischen Beweisführung,




 
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