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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Weizsäcker, Heinrich: Der Meister von Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0013

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3

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1

einem reichgeschmückten Thron die hl. Anna
selbdritt von Angehörigen der hi. Sippe um-
geben; unter diesen erscheint rechts am Rande
der Porträtkopf eines Mannes von leidlich
jugendlichem Alter, in dem wohl kein Anderer
als der Meister selbst zu erkennen ist. Auf
den Innenseiten der Flügel ist links die Ge-
burt, rechts die Sterbeszene Maria's abgebildet.
Die Aufsenseiten der Flügel, jetzt von den
Innenseiten getrennt, enthielten, grau in grau
gemalt, je zwei Heiligenpaare, von denen im
ganzen drei erhalten sind mit den Gestalten
der Heiligen Agnes und Lucia, Valentin und
Martin, Joseph und Gregor. Aus einer Privat-
kapelle, wie Passavant angibt, vermuthlich
aber ursprünglich gleichfalls aus alt-frankfurti-
schem kirchlichen Besitz rührt ferner ein im
Rundbogen geschlossenes Triptychon in der
Sammlung des Städel'schen Kunstinstituts her,
dessen Abbildung in Lichtdruck diesen Zeilen
beigegeben ist. Es zeigt im mittleren Theil
die Kreuzigung Christi, auf den Flügeln die
Familie des Donators, links die männlichen,
rechts die weiblichen Glieder, begleitet von
den Heiligen Nicolaus von Bari einer- und
Margaretha andrerseits; oben an den Flügeln
die Wappenschilde derer von Humbracht und
Faut von Monsberg. Ein drittes Bild, wiederum
die hl. Anna mit Maria und dem Jesuskinde,
jedoch von wesentlich geringerem Umfang als
das zuerst genannte, befindet sich gleichfalls
im Städel'schen Institut. Hier ist die Gruppe
der heiligen Frauen, von zwei musizirenden
Engeln und drei zur heiligen Verwandtschaft
gehörigen Kindern abgesehen, nur von Joseph
und Joachim begleitet. Die Herkunft des Bildes
ist unbekannt, dem Institut fiel es 1861 als
Vermächtnifs seines früheren Inspektors J. D.
Passavant anheim.

Es sind neuerdings gegen die Zusammen-
gehörigkeit dieser Bilder, die man seit Passa-
vant's Zeit als Werke einer und derselben
Künstlerhand anzusehen gewohnt war, Bedenken
laut geworden. Und es ist wahr, dafs nicht
unmerkliche Unterschiede zwischen ihnen be-
stehen, besonders zwischen den zwei Bildern
der Städel'schen Gallerie, von denen das eine,
das Triptychon, lockerer in der Behandlung
und heller im Ton ist, als das andere Bild mit
Anna und Maria. Doch zeigen beide, jedes
in seiner Art, zugleich so viele Analogien
zu dem Sippenaltar der städtischen Sammlung,

jenes in seiner helleren Farbe, in der Landschaft
und in einzelnen figürlichen Typen, dieses in
der Zeichnung, Theilen der Gewandung und
wiederum in einzelnen typisch wiederkehren-
den Zügen der Gesichts- und Körperbildung,
wie etwa den unschönen Kinderfiguren oder den
sonderbar nach den Schläfen hin verschobenen
Augenbrauenbogen, dafs ihre gemeinsame Ab-
stammung dennoch durchaus im Bereich des
Möglichen liegt. Es ist im Gebiet der allgemeinen
Geschichte ein guter und bewährter Grundsatz
der Quellenforschung, dafs man nicht auf ver-
schiedene Ursprünge zurückführt, was sich als
geistiges Eigenthum eines und desselben Autors,
auch bei Abweichungen des Stils im Einzelnen
verstehen läfst. In unserer besonderen kunst-
geschichtlichen Disziplin sollte die vergleichende
Kritik etwas weniger Scheu vor der Anwen-
dung ähnlicher Prinzipien gegenüber den Denk-
mälern zeigen, als mitunter geschieht. So möge
denn Passavant im vorliegenden Falle Recht
und seine Ansicht Geltung behalten, dafs die
erwähnten Bilder in der That von einer und
derselben Hand sind. Die Unterschiede, die
sie untereinander zeigen, werden dann vielleicht
dieselben Bilder um so mehr geeignet er-
scheinen lassen, um von ihrer auch räumlich
so bequem sich darbietenden Konfrontirung
aus zu einer möglichst umfassenden Feststellung
der künstlerischen Eigenart ihres Urhebers
fortzuschreiten.

Was diesen Punkt anlangt, so hat Justi
schon vor Jahren die entscheidende Direktive
gegeben, indem er den nahen Zusammenhang
aufdeckte, in welchem unser Künstler mit den
Niederlanden und insbesondere mit der Kunst-
weise des Quinten Massys steht.3) Der leichte
Vortrag, der seiner Malerei eigenthümlich ist,
gefördert durch ein dünn und fliefsend sich
verarbeitendes Bindemittel, ist auch für Massys
bezeichnend; es ist eine besonders virtuose
Anwendung jenes Verfahrens, das der Sprach-
gebrauch des XVI. Jahrh. insgemein als Malerei
in Oelfarben bezeichnet, obwohl es mit unserer
heutigen Oelmalerei nicht viel mehr als den
Namen gemein hat. Auch die handwerklichen
Gepflogenheiten sonst lassen bei dem einen
wie bei dem anderen Meister verwandte Züge
erkennen, dahin gehört der im Vergleich zum
Kunstgebrauch der vorhergehenden älteren Zeit

3) »Jahrbuch der Kgl. Preufsischen Kunstsamm-
lungen« IX, p. 150.
 
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