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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Beissel, Stephan: Die römischen Mosaiken vom VII. Jahrh. bis zum ersten Viertel des IX. Jahrh., [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0105

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151

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 5.

152

wohl jene Märtyrer (Männer, Frauen, Jung-
frauen und Kinder), deren Leiber Paschalis in
diese Kirche übertrug und deren Reliquien in
grofsen, vom hl. Karl Borromäus in Auftrag
gegebenen Schränken unterhalb der Mosaiken
ruhen. So treten hier neue, die Kunst des
Mittelalters beherrschende Ideen ein. Die
Poesie der Heiligenverehrung zeigt uns Petrus
als Pförtner des Himmels und Michael als
Seelenführer. Die Schranken der alten Cyklen
sind durchbrochen und der weitern Ent-
wicklung sind die Wege gebahnt.

Für die Farbengebung sind die bewährten
Grundsätze der alten Mosaicisten festgehalten.
Jene Reihe von Heiligen, welche Palmen tragen,
ist weifs auf blauem Hintergrunde. Ueber
ihnen stehen die Heiligen, welche Kronen
haben, vor einem goldenen Hintergrunde, aber
auf einem grünen Boden, welcher einen breiten
Trennungsstreifen bildet zwischen jenem Blau
und Gold der Hintergründe. Roth ist auch
hier nur sparsam verwendet.

Auf der Evangelienseite ist in S. Prassede
in die Ecke, welche das Seitenschiff mit dem
vortretenden Querarm bildet, eine demhl.Zeno
geweihte Kapelle eingebaut. Die Italiener
lieben grofse Namen und nennen sie orto
del paradiso „Paradiesesgarten". Alle ihre
Wände sind mit goldenen Pasten bedeckt,
aus denen farbige Figuren voll Lebhaftig-
keit heraustreten. Die ganze Ausstattung er-
innert an das Mausoleum der Galla Placidia
zu Ravenna. Wir dürfen um so eher annehmen,
dafs man in Rom Ravennatische Vorbildergerne
berücksichtigte, weil Karl d. Gr. damals die
Anlage von S. Vitale beim Bau seiner Palast-
kapelle zu Aachen als Vorbild benutzte,
Leo III. aber die Kirche S. Apollinare in
Ciasse durch seine römischen Arbeiter her-
stellen liefs.") Die Thüre der Zenokapelle
endet oben im Halbkreis. Um diesen Halb-
kreis legte Paschalis7) auf die Aufsenwand
der Kapelle zwei breite Streifen, einen gol-
denen und einen blauen. In den goldenen
kamen zehn grüne Kreisflächen mit den viel-
farbigen Brustbildern der Gottesmutter, der

c) »Liber pontificalis« ed. Duchesne II, 31. Ag-
il ellus n. 168, »Mon. Germ., SS. rerum Langobardi-
carum« pag. 387.

7) »Liber pontificalis« ed. Duchesne II, 55 et 64
note 14. deRossi »Musaici« Fase. 12 n. 24. Gar-
rucci Tav. 287 s.

hh. Zeno und Valentin (?), Praxedis und Pu-
dentiana sowie sechs anderer hh. Jungfrauen
oder Märtyrerinnen. In den zweiten, blauen
Rahmen setzte er in goldene Medaillons die
weifs gekleideten Brustbilder Christi und
seiner Apostel. Eine viereckige Umfassung
legt sich um den zweiten Rahmen; sie trägt
auf grünem Grund in zwei goldenen Me-
daillons weifsgekleidete Pleilige. Vorbilder
zu einer solchen Anordnung von Bild-
nissen um einen Bogen sah der Künstler
zweifelsohne oft, sogar in altern heidnischen
Werken. Christliche Vorbilder fand er z. B.
in S. Sabina zu Rom8) und besonders zu
Ravenna in den Mosaiken der erzbischöf-
lichen Kapelle. Im Innern der quadratischen
Kapelle des hl. Zeno erinnert die Dekoration
des Gewölbes gleich an diejenige der eben
genannten erzbischöflichen Kapelle von Ravenna
und an deren Vorbild, das Chorgewölbe von
S. Vitale, denn im Goldgrund heben vier grofse,
auf Kugeln stehende, weifsgekleidete Engel
einen dunkelblauen Kreis empor, woraus Christi
Brustbild in goldenen Gewändern und mit
goldenem Nimbus herabblickt. Die Engel haben
hier, wie in den andern Mosaiken dieser Kirche,
hellblaue Nimben, während Christus und die
Heiligen goldene tragen. Vielleicht wollten
die Künstler durch das Blau an den Aether
erinnern, aus dessen Höhen die himmlischen
Geister zu uns herabsteigen. Die Wände zur
Rechten und zur Linken und dem Eingang
gegenüber sind von je einem Fenster durch-
brochen. Neben ihm stehen, wie im Mauso-
leum zu Ravenna, auf Goldgrund grofse weifse,
durch goldene Nimben ausgezeichnete Figuren.
Rechts vom Eingange wenden sich die hh. Agnes,
Pudentiana und Praxedis, links die Apostel
Jakobus, Andreas und Johannes zu den der
Thüre gegenüber, oberhalb des Altars stehenden
Bildern der Gottesmutter und des Täufers.
Ueber der Thüre schliefsen die neben dem
Throne Gottes stehenden Apostelfürsten diese
Reihe. Inhaltlich entspricht sie also einer
Apsis, in der neben dem Throne Gottes auf einer
Seite der Vorläufer, Petrus und drei Apostel,
auf der andern Maria, Paulus und drei Jung-
frauen angebracht wären.

8) Garmcci Tav. 209. Um den Bogen stehen
die Brustbilder Christi und von 14 Heiligen. Sie ent.
standen unter Papst Coelestin (422—432).
 
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