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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Beissel, Stephan: Die römischen Mosaiken vom VII. Jahrh. bis zum ersten Viertel des IX. Jahrh., [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0104

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149

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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zwölf Lämmer zum hl. Berge, auf dem das
Lamm Gottes steht. Auf der Wand um den
Bogen der Apsis ist die Darstellung der Kirche
der hl. Cosmas und Damian kopiert. Für uns
ist das doppelt wichtig, weil ja dort mehr als
die Hälfte jener Wand zur Rechten und Linken
abgeschnitten und verloren ist.

Aber welcher Unterschied trotz der an-
gestrebten Gleichheit! Der Abstand von drei
Jahrhunderten zeigt sich klar, die Kluft zwischen
der antiken Kunstfertigkeit und dem späten
Versuch, sie zu erreichen. Dort große, freie
Haltung, offene, charaktervolle Köpfe, feiner
Faltenwurf, hier alles kleinlich, unsicher und
grob. Die Figuren sind schmächtig und un-
bedeutend geworden, wie das neue römische
Reich höchstens ein Schatten des alten war.
Und doch wohnten im neuen Kaiserreich
große, lebenskräftige Ideen. Das Mosaik beim
Forum Romanum gleicht dem Abendroth der
scheidenden Sonne, das von S. Prassede ist
wie die Morgenröthe der Kunst des eigent-
lichen Mittelalters. Dort hatte nur der Hei-
land einen einfachen Nimbus, die Heiligen
entbehrten desselben. Hier trägt der Herr
den grofsen Kreuzesnimbus, die Heiligen haben
den einfachen Nimbus, dem Stifter gab man
den viereckigen. Dort tragen alle, aufser
Theodor, das einfache Pallium über der Tunika,
hier sind die beiden hh. Jungfrauen in schwere,
goldverbrämte Kleider, der hl. Diakon und
der Papst fast in die heute üblichen, schon
damals eingebürgerten liturgischen Gewänder
gehüllt. Hier wie dort heben die Figuren sich
durch ihre goldene, hellfarbige Kleidung vom
dunkeln Grunde ab. Aber die feinen Kon-
traste und Vermittelungen, der klare Ton und
das ruhige Echo fehlten den Farben. Wohl
erheben auch hier Christus, Petrus und Paulus
eine Hand, aber sie thun es so lahm und un-
entschieden, dafs die gesuchte Wirkung kaum
erzielt wird. Die Figuren sind überdies so
nahe zusammengerückt, dafs sie sich kaum
eine kräftige Bewegung erlauben dürfen. Der
Heiland ragt zwar noch über die Heiligen
heraus, aber nicht mehr, weil er hoch steht
und die Farben ihn hervortreten machen,
sondern weil seine Gestalt jetzt um ein Drittel
länger ist als die Figuren seiner Umgebung.

Trotz aller Mängel bleibt S. Prassede
charakteristisch für die karolingische Kunst-
periode. Aus Italien erhielt sie ihre besten

Anregungen, da lagen ihre Hauptquellen, da
entsprang ihre Lebensader. Sie griff zurück
auf antike Vorbilder, suchte sich zu heben
durch Nachahmung klassischer und altchrist-
licher Kunstwerke des Abendlandes. Man
könnte dies Mosaik von Prassede fast ansehen
als feierlichen Ausdruck des Bruches mit all
den byzantinischen und syrischen Einflüssen,
welche die Herrschaft der oströmischen Kaiser
und ihrer Exarchen gebracht hatten, oder die
durch ihren mittelbaren oder unmittelbaren
Einfiufs gewählten griechischen und syrischen
Päpste. Was die Kaiserkrönung Karls dem
Despoten in Konstantinopel sagte, das zeigte
dies Mosaik im Chore von S. Prassede den
Freunden byzantinischer Kunstwerke.

Eigenartig ist das jedenfalls von einem
römischen Künstler neu entworfene Mosaik
auf dem Triumphbogen von S. Prassede, am
Ende des Mittelschiffes. Es faßt in einem
Bilde zwei verschiedene Szenen zusammen:
den Zug der Heiligen zum himmlischen Jerusalem
und ihre Seligkeit beim Sohne Gottes. In der
Mitte, über dem Scheitel des Bogens, erblickt
man die hohe Ringmauer der heiligen Stadt.
In ihrem Innern schwebt der Heiland verklärt
zwischen den drei grofsen Erzengeln und
zwischen Moses und Elias. Unter ihnen stehen
zur Linken die hl. Praxedis, der hl. Petrus
und fünf Apostel, zur Rechten Maria, Johannes
der Täufer, Paulus und die fünf übrigen Apostel.
Praxedis erhielt die Ehrenstelle vor Petrus,
weil sie Patronin dieser Kirche ist, vor Paulus
aber erhielten hier Maria und der Vorläufer
den Vortritt.

Die Stadt Gottes mit ihrem festgeschlossenen
Mauerring füllt die Mitte des Bildes, über dem
Scheitel des Bogens. Je eines ihrer Thore
öffnet sich nach der rechten oder linken Seite,
wo der Raum vor der Stadt gefüllt ist mit
Heiligen. An jedem der beiden genannten
Thore steht ein Engel als Wächter. Vor dem
Thore zur Rechten haben Petrus mit seinem
Schlüssel, Paulus und Michael sich hingestellt.
Der letztere fordert durch seine Handbewegung
die nahenden Heiligen auf, einzutreten. Am
Thore zur Linken steht ein zweiter Engel neben
dem, der dort als Wächter amtet. Die Heiligen,
welche eingelassen werden sollen, bilden sowohl
vor dem Thore zur Rechten als vor dem zur
Linken zwei Reihen. In der obern tragen
sie Kronen, in der untern Palmen. Es sind
 
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