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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Schnütgen, Alexander: Gothisches Krystallkreuz in der Stiftskirche zu Aschaffenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0160

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237

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

238

Gothisches Krystallkreuz

lach geschliffene und abge-
faste Bergkrystallstücke zu
durchbohren und zu einem
Kreuze zusammenzusetzen,
war schon in der frühgothischen Periode
gebräuchlich, noch mehr im XIV. und
XV. Jahrh. Wenn dabei die Drähte, an
welche die Stücke angereiht wurden,
eine bemalte und vergoldete Pergament-
hülse erhielten, so war das Ergebnifs
ein vortreffliches Zusammenwirken von
Krystall und durchschimmerndem Kern,

PK.

in der Stiftskirche zu Aschaffenburg.

Mit Abbildung.

ihren Verbindungsstellen durch breite
vergoldete Bänder verziert, welche dem
Krystall zugleich eine wirkungsvolle
F assung geben. Als besonders geschickt
darf die Fassung des Kreuzmittels be-
zeichnet werden, der kordelumsäumte
Reif mit seinen vier Flammenausläufern,
der zugleich, dank dem durchlaufenden
Röhrenkreuz, sehr geschickt als Nim-
bus benutzt ist. Weniger nachahmungs-
würdig erscheint die etwas ungewöhn-
liche Lösung der Balkenendigungen, in-

-TS??'

und die Wirkung wurde noch erhöht
durch die nicht selten reichverzierten ver-
goldeten Spangen, welche die Scheide-
stellen verdeckten, sowie durch die ver-
goldeten Schienen, welche das Kreuz
rings umsäumten. In Lilien- oder Pafs-
form pflegten die Endigungen der Balken
geschliffen zu werden und eine Krystall-
kugel bildete zumeist den Knauf als
Uebergang zu dem Dorn, der nur in
eine Stange gesteckt zu werden brauchte,
um ein Vortragekreuz zu ergeben, wäh-
rend dessen Einfügung in einen nie-
drigen Untersatz sofort ein Altarkreuz
erwirkte, wenn anders ein Kruzifixus
darauf angebracht war. Dieser wurde
zumeist auf das Kreuzmittel beschränkt,
welches bei grofsen Kreuzen eine Aus-
dehnung von mehr als 10 cm im Qua-
drat erhielt (wie an einem solchen in
Kölner Privatbesitz), zuweilen wurde aber
auch eine der Gröfse des Kreuzes ent-
sprechende Figur aufgeheftet.

In diese Kategorie gehört das hier
abgebildete Kapitelskreuz von Aschaffen-
burg, welches 63 cm hoch ist und aus
14 achtseitig geschliffenen, durchbohrten
Krystallstücken besteht. Diese werden
durch einen sie durchziehenden glatten
Silberdraht zusammengehalten und an

dem sowohl die drei Kegel oben, wie
die Kugel unten zu stumpf anstofsen,
um als eine organische Gestaltung gelten
zu können. Der silbergetriebene, gut
modellirte und ausgeführte Kruzifixus
ergänzt durch seine fein empfundene
Bewegung, was ihm an Gröfse abgeht,
und die vergoldeten Haare, Bart, Dornen-
krone, Lendentuch kontrastiren vor-
trefflich mit dem Silbertone. Um die
oben wie unten rosettenartig verzierte
Kugel läuft ein Astwerkstab mit aus-
gezahntem Fries und erhöht den Ein-
druck des glänzenden Kleinods, welches
wohl in Mitteldeutschland um die Mitte
des XV. Jahrh. entstanden ist. Die
Nachahmung desselben in Bergkrystall
dürfte in der Regel am Kostenpunkt
scheitern, da das Schleifen und Durch-
brechen des Krystalls ein höchst um-
ständliches Verfahren ist. Ein ähnlicher
Effekt wäre aber auch durch gezogene
Glasröhren erreichbar, die sehr wohl-
feil zu beschaffen sind. In diesem Falle
könnten die Endigungen der Kreuz-
balken durch Pressung mit einem Ein-
schnitt versehen werden, der mittelst
eines Einsatzzapfens zur Lilienform aus-
gebildet, dem Kreuze eine gefällige
Form verschaffen würde. Schnutgen.
 
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