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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Schnütgen, Alexander: Am Schlusse des ersten Jahrzehntes
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0236

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357

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

358

Neuerungssucht, die so manchen wie aus einem
Gusse hervorgegangenen alten Gebilden allerlei
moderne, ihre Einheitlichkeit störende Ver-
änderungen und Verunstaltungen aufnöthigt, in
dem Vorsatze bestärkt, die alten Vorbilder um
so gründlicher zu studiren, um so sorgsamer zu
publiziren und an ihnen das Gute für die Nach-
ahmung hervorzuheben, bis die Frucht eines ge-
sunden Entwickelungsprozesses, aber nicht einer
unzeitigen Zwangsgeburt als etwas wirklich
Besseres an ihre Stelle gesetzt werden kann.
Die Lösung dieser Aufgabe wird immer
schwieriger, weil gerade von denjenigen Ta-
lenten, die befähigt und berufen wären, sich
der Pflege der christlichen, auch der kirch-
lichen Kunst zu weihen, manche den verlocken-
den Rufen aus den modernen Lagern folgen, in
denen eine Richtung schnell durch die andere
abgelöst wird, ohne Ruhe und Tiefe, zumeist
auch ohne Ernst und Würde, daher am wenigsten
geeignet, dem Heiligthum zu dienen. Um so
mehr sollten die bei der Fahne Verharrenden,
im Hochgefühl ihrer erhabenen Aufgabe, nicht
durch schwächliche Konzessionen ihre Richtung
gefährden, für deren feste Behauptung sie an
den alten Meistern die zuverlässigsten Weg-
weiser haben. Möge es ihnen aber auch von
Seiten der Rathgeber und Besteller nicht an
dem Vertrauen fehlen, ohne welches ein er-
spriefsliches Zusammenwirken nicht erfolgen
kann! Aber nur diejenigen haben den Beruf,
die künstlerische Gestaltung des Auftrags zu
beeinflussen, denen gründliches Studium und
vielfache Erfahrung dafür den Titel gibt, damit
die leidige Klage mancher um Arbeit be-
nöthigter Künstler in Zukunft verstumme, dafs
sie durch unverständige Beeinflussung zu un-
richtigen Ausführungen gedrängt worden seien.

Mit Vorliebe bemächtigt sich diese Beeinflussung,
bei der Schwierigkeit, auf die nun einmal nicht
auf der Oberfläche liegenden Formen bestimmend
einzuwirken, der Festsetzung des Bilderkreises,
der Symbolik, vielleicht ohne zu bedenken,
dafs gerade diese solide positive Kenntnisse
verlangt, wenn nicht die Phantasie an die
Stelle der Regel, die Liebhaberei an die des
Kanons treten soll, der gerade hier streng
umgrenzt ist. Je mehr die Anschauung Raum
gewinnt, dafs das Wissensgebiet der christ-
lichen Kunst in Theorie und Praxis den
Höhen der menschlichen Erkenntnifs angehört,
um so weniger werden diejenigen wagen mit-
zureden, gar zu entscheiden, welche sich nicht
gründlich in dieses Gebiet eingearbeitet haben,
mag das Interesse für dasselbe noch so grofs,
die Absicht noch so edel sein. Verbünden
wir uns daher zu ernstem Studium, dessen
Gegenstand vor Allem die alten Kunstdenk-
mäler sein müssen in Bezug auf ihre stili-
stische, technische, ikonographische Behand-
lung, besonders aber in Bezug auf ihren Geist,
denn „Spiritus est, qui vivificat!"

Um all' das, was in dieser Hinsicht die
zehn Jahrgänge der Zeitschrift an Studien-
material bieten, leichter auffindbar und damit
zugänglicher zu machen, beschliefst dieselben
ein Generalregister, welches unter der Auf-
sicht des Herausgebers von Herrn Joh. Roes-
berg zusammengestellt ist, dem die letzten
sechs Jahre hindurch die bezügliche Verlags-
arbeit oblag. Bei der Vollständigkeit, Zuver-
lässigkeit und Handlichkeit, die demselben mit
Dank gegen den Urheber nachgerühmt werden
dürfen, wird es allen Besitzern sämmtlicher oder
der meisten Bände als Nachschlageheft die
besten Dienste leisten. Schnütgen.

In dem vortrefflichen »Archiv für christliche
Kunst«, 1897, Nr. 8 bis 11, hat unser verehrter
Mitarbeiter, Professor Keppler, dem unsere Zeit-
schrift so viele herrliche Beiträge, (namentlich die
drei grofsen Serien der „Gedanken über die moderne
Malerei", deren Schlufsartikel im letzten Hefte er-
schienen ist) verdankt, unter dem Titel: „Der roma-
nische Kirchen bau" sehr eingehend und anziehend,
mit vollkommener Ruhe und Vornehmheit die bren-
nende Frage erörtert, ob der romanische Stil für den
modernen Kirchenbau neben dem gothischen seine
Berechtigung habe, und sie in bejahendem Sinne be-
antwortet. Damit hat er an die Behandlung dieser
Frage in unserer Zeitschrift Bd. IV und V angeknüpft

und der Wortführer von damals freut sich, sie darin,
unter Berücksichtigung der neu aufgestellten Gesichts-
punkte, weiterführen zu können, sobald der Raum es
gestattet. Dieser wird leider nicht sofort verfügbar
sein, da mehrere längst gesetzte gröfsere Artikel der
Aufnahme harren, darunter eine Studie über den sieben-
armigen Leuchter zu Braunschweig von Pfeifer, sowie
besonders die Beschreibung des illuminirten Kaiserkodex
in Upsala, den das hohe Ministerium in Stockholm
durch die Vermittelung des hiesigen Archivs mir für
diesen Zweck auf drei Monate anvertraut hat. Diese
ist bereits durch unsern, um die Zeitschrift hochver-
dienten Freund, St. Beissel besorgt und wird, reich
illustrirt, ein ganzes Heft umfassen. ü. H.
 
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