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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Schnütgen, Alexander: Am Schlusse des ersten Jahrzehntes
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0235

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355

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 12.

356

malern, zumal der romanischen und gothischen
Periode, wie vielen Wand-, Tafel-, Miniatur-,
Glasmalereien des früheren und späteren Mittel-
alters, wie vielen kleinen und grofsen Skulp-
turen in Stein, Holz, Elfenbein, Metall hat die
Zeitschrift die ihnen zukommende Stelle in der
Kunstgeschichte angewiesen! Und welche För-
derung hat erst durch sie die Geschichte der
Goldschmiedekunst, des Emails, der Stickerei,
des ganzen Kunstgewerbes und seiner einzelnen
Techniken erfahren, welche Bereicherung das
Gebiet der Ikonographie! Und das Alles nicht
nur zum Zwecke wissenschaftlicher Forschung,
sondern auch praktischer Verwerthung. Denn
bei den meisten Gegenständen handelte es sich
nicht blofs um deren Eingliederung in die kunst-
geschichtliche Folge, sondern auch um ihren
vorbildlichen Werth, um die Frage inwieweit
und auf welchem Wege sie in den Dienst des
praktischen Kunstschaffens gestellt werden
könnten. Fast niemals wurde hierbei das
direkte Nachbilden, das einfache Kopiren ge-
stattet oder gar empfohlen, immer hervorge-
hoben, dafs es dem Künstler obliege, durch
das hingehendste Studium die alten Formen in
sich aufzunehmen und aus deren Geist heraus
neue eigene Gebilde zu schaffen nach Maafs-
gabe der Ansprüche, welche örtliche Verhält-
nisse, praktische Forderungen, liturgische Vor-
schriften und sonstige Umstände stellen. Nur
diejenigen Meister, welche sich auf diesen müh-
samen Wegen ausdauernder, liebevoller Ver-
tiefung in die alten Schätze die vollständige
Beherrschung der Formen angeeignet hatten,
konnten als berufen gelten, den andern als
Lehrmeister vorgestellt zu werden in dem
Sinne, dafs für ihre Entwürfe eine gewisse
Mustergültigkeit in Anspruch genommen wurde.
Wenn die Zahl derselben nicht noch erheb-
licher war, wenn diesen neuen Mustern eine
viel gröfsere Anzahl alter Vorbilder gegenüber-
gestellt und damit auf die Quellen für jene
hingewiesen wurde, so mag daraus entnommen
werden, wie wenigen neuen Künstlern der Vor-
zug beigemessen wurde, vollkommen in den
Geist der alten eingedrungen zu sein. Das
hinderte aber durchaus nicht, jedem strebsamen
Meister seine Rechte zukommen zu lassen,
namentlich gegenüber dem Fabrikbetrieb, der
unausgesetzt bekämpft wurde als der Todfeind
aller künstlerischen Thätigkeit. Dafs hierbei
dem Bemühen so wenig der Erfolg entsprach,

ist die betrübendste aller Erfahrungen, um so
entmufhigender je unerklärlicher sie ist. Denn
keine Künstlerversammlung oder -Vertretung,
kein Kunstverein oder -Organ hat es unterlassen,
vor diesem Unkraut zu warnen, und da das-
selbe leider zumeist in die Kirchen Einlafs
suchte und fand, so hat kein deutscher Bischof,
kein Kunstlehrer, keine Generalversammlung
der Katholiken oder der Mitglieder einer Kunst-
gilde darauf verzichtet, bis in die letzten Tage,
wiederholt und nachdrücklichst dagegen zu
protestiren. Trotz all' dieser Proteste und der
mit manchen derselben verbundenen amtlichen
Drohungen ist der Unfug eher in der Zu- als
in der Abnahme begriffen zum üppigen Ge-
deihen dieser sogen. Kunstanstalten und zum
Verderben der selbstständigen Künstler.

Wie anmafslich, wie werthlos erscheinen die
„Atteste", mit denen jene sich einzuführen
suchen und unter denen kein irgendwie kom-
petenter Beurtheiler figurirt! Welche Verun-
staltung des Ffeiligthums, welche Vergeudung
der zumeist aus frommen Spenden fliefsenden
Mittel bezeichnet fast ausnahmlos das blinde
Vertrauen auf solche Urtheile und die ganz
irrige Annahme wohlfeileren Bezuges aus solchen
Quellen! Auch für die ärmste Kirche mufs
die Ausstattung würdig sein, d. h. aus solidem
Material nach guter Zeichnung korrekt ausge-
führt, und gerade den tüchtigsten Künstlern
gelingt es am ersten, auch für die einfachste
Lösung die beste Form zu finden und so die
billigste Besorgung zu ermöglichen. — Defs-
wegen hat die Zeitschrift es auch stets für eine
ihrer Hauptaufgaben erachtet, durch gut be-
handelte, leicht ausführbare Entwürfe den streb-
samen Kunsthandwerkern entgegenzukommen
und wenn sie glaubt sich rühmen zu dürfen,
in ihren zehn Jahrgängen bereits ein kleines Ar-
senal bewährter Vorlagen eingerichtet und gerade
für solche Gegenstände und Einrichtungen, die
erst durch die Bedürfnisse der späteren Zeit ver-
anlafst oder eingeführt sind, eine Lösung in der
alten Formensprache besorgt zu haben, dann will
sie gerne für die Zukunft ihr Wort verpfänden,
mit gesteigerter Sorge die Lösung dieser überaus
wichtigen Aufgabe zu erstreben.

Ihre Mittel und Wege werden die bisherigen
bleiben, denn zu einer Revision ihres Pro-
gramms findet sie nicht die geringste Veran-
lassung. Vielmehr fühlt sie sich durch die
meisten Ergebnisse der ringsumher grassirenden
 
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