Nr. 5
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
67
was die photochemische Wissenschaft in Zukunft leisten wird. Jedenfalls ist
die Photographie bis heute noch nicht hinter den älteren Zweigen der bildenden
Kunst zurückgeblieben. Zwei Beispiele mögen es beweisen:
Der schottische Maler David Octavius Hill bekam etwa fünf Jahre, nachdem
die Photographie erfunden war (1838), den Auftrag, eine Gruppe mit den Porträts
von weit über hundert englischen Geistlichen zu malen. Weniger aus innerm
Drang, als vielmehr aus einer gewissen Verzweiflung heraus bei dem Gedanken,
wie er die vielen Modelle für das Bild skizzieren und im Gedächtnis behalten
könne, entschloß er sich zu seiner
Unterstützung das neue photo-
graphische Verfahren heran-
zuziehen. Er erlernte es und
machte die Aufnahmen für sei-
nen Auftrag. Gleichzeitig photo-
graphierte er noch eine Reihe
anderer Damen und Herren der
schottischen Gesellschaft. Trotz
der damals noch primitiven Art
des Verfahrens und der vor
allem sehr langen Belichtungs-
zeit sind diese Porträts von ver-
blüffend guter künstlerischer
Qualität. Diese Qualität ist von
der Porträtmalerei erst nach
Jahren erreicht worden; über-
troffen sind Hills Aufnahmen
bis heute überhaupt noch nicht
(Abb. I)3.
Einen Beweis dafür, wie die
Photographie selbst bis in Einzel-
heiten einer höchst charakteristi-
schen Auffassung und Technik
der Malerei zu folgen vermag,
liefert das Porträt eines Priesters
(Abb. 2). Dieses Bild ist 1912 in
Düsseldorf entstanden. Damals
tagte die Sonderbundausstellung
in Köln, El Greco und van Gogh waren Feldgeschrei. Das Bild hat dieses Geistes
einen Hauch verspürt. Die Photographie hat hier das erfüllt, was man von jedem
Kunstwerk verlangen muß: sichtbarer Niederschlag des Zeitenwillens zu sein.
Leider läßt sich in der Reproduktion die Feinheit des farbigen Originals nur
unvollkommen wiedergeben.
Wird auch der radikale Expressionismus unserer Tage einmal in der Photo-
graphie zum Ausdruck kommen? Auch hier stehen wir wieder vor einem Igno-
Abb. 2. Porträt eines Priesters. Eisbeth Gropp, Köln.
3 Alfred Lichtwark „Inkunabeln der Bildnisphotographie" in „Photographische
Rundschau", 16. Jahrg., 1900, S. 25 ff. Dort auch eine Reihe von Abbildungen.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
67
was die photochemische Wissenschaft in Zukunft leisten wird. Jedenfalls ist
die Photographie bis heute noch nicht hinter den älteren Zweigen der bildenden
Kunst zurückgeblieben. Zwei Beispiele mögen es beweisen:
Der schottische Maler David Octavius Hill bekam etwa fünf Jahre, nachdem
die Photographie erfunden war (1838), den Auftrag, eine Gruppe mit den Porträts
von weit über hundert englischen Geistlichen zu malen. Weniger aus innerm
Drang, als vielmehr aus einer gewissen Verzweiflung heraus bei dem Gedanken,
wie er die vielen Modelle für das Bild skizzieren und im Gedächtnis behalten
könne, entschloß er sich zu seiner
Unterstützung das neue photo-
graphische Verfahren heran-
zuziehen. Er erlernte es und
machte die Aufnahmen für sei-
nen Auftrag. Gleichzeitig photo-
graphierte er noch eine Reihe
anderer Damen und Herren der
schottischen Gesellschaft. Trotz
der damals noch primitiven Art
des Verfahrens und der vor
allem sehr langen Belichtungs-
zeit sind diese Porträts von ver-
blüffend guter künstlerischer
Qualität. Diese Qualität ist von
der Porträtmalerei erst nach
Jahren erreicht worden; über-
troffen sind Hills Aufnahmen
bis heute überhaupt noch nicht
(Abb. I)3.
Einen Beweis dafür, wie die
Photographie selbst bis in Einzel-
heiten einer höchst charakteristi-
schen Auffassung und Technik
der Malerei zu folgen vermag,
liefert das Porträt eines Priesters
(Abb. 2). Dieses Bild ist 1912 in
Düsseldorf entstanden. Damals
tagte die Sonderbundausstellung
in Köln, El Greco und van Gogh waren Feldgeschrei. Das Bild hat dieses Geistes
einen Hauch verspürt. Die Photographie hat hier das erfüllt, was man von jedem
Kunstwerk verlangen muß: sichtbarer Niederschlag des Zeitenwillens zu sein.
Leider läßt sich in der Reproduktion die Feinheit des farbigen Originals nur
unvollkommen wiedergeben.
Wird auch der radikale Expressionismus unserer Tage einmal in der Photo-
graphie zum Ausdruck kommen? Auch hier stehen wir wieder vor einem Igno-
Abb. 2. Porträt eines Priesters. Eisbeth Gropp, Köln.
3 Alfred Lichtwark „Inkunabeln der Bildnisphotographie" in „Photographische
Rundschau", 16. Jahrg., 1900, S. 25 ff. Dort auch eine Reihe von Abbildungen.