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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Witte, Fritz: Friedrich Stummel †
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0110

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96

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 6/7

FRIEDRICH STUMMEL f.

(Mit Tafel VII und 2 Abbildungen.)

In Kevelaer am Niederrhein verstarb nach längerer Krankheit der in kirch-
lichen Kreisen wohlbekannte Maler Friedrich Stummel. Mit ihm ist wieder
einer der Männer dahingegangen, die eine Brücke bildeten zwischen der Zeit
der Nazarener und der des Historismus. Stummel gehörte nicht zu der großen
Masse derer, die in geschäftskluger Nachrede das tun, das malen, was gerade
der Geschmack der Besteller verlangt; was er war, das war er bis an sein
Lebensende aus vollster Überzeugung. Nicht nur das: Friedrich Stummel war
ein feingebildeter ungemein fleißiger Mensch. Deswegen konnten ihm weder
das Empfinden der Nazarener noch der Historismus seiner Zeit einfachhin im
Atelier eines Lehrmeisters eingepaukt werden; er ging mehr als einmal an die
Quellen heran, versenkte sich mit ebenso großer Begeisterung und Liebe wie
mit Fleiß in sie und baute sich aus dem daraus gewonnenen Empirismus sein
eigen künstlerisches Glaubensbekenntnis. Das allerdings wurde bei ihm streng
dogmatisiert, so streng, daß jede mündliche Diskussion mit ihm über Kunst
und Kunstwerke begann und schloß mit einem diktatorischen Hinweise auf
irgendein Denkmal alter Kunst. Diese Denkmäler waren seine — eigentlich
einzigen — Lehrmeister. Wer mit ihm einmal eingehender über italienische,
deutsche oder holländische Kunst gestritten und geredet hat, der wird Stummels
bewundernswerte Sachkenntnis in diesen Dingen zu rühmen wissen. Aus seiner
durch Autopsie gewonnenen Kenntnis heraus konstruierte er sich seine Kunst-
ästhetik ur.d nach ihr handelte er als Maler. Als einzigen Grundsatz predigte
er diesen: Die Künste allesamt sind Kinder und Dienerinnen der Architektur;
die in der Architektur gültigen Gesetze haben ihre Anwendung auch zu finden
auf Plastik und Malerei, beide haben das zu unterstreichen, zu betonen, was
die Architektur sagen will. Bei Stummel gab es eben nur eine angewandte
Kunst.

Wenn man Stummels Lebensarbeit übersieht, fühlt man überall das Streben
nach Gesetzmäßigkeit ur.d die Lehre der Alten heraus; in diesen beiden Dingen
ging seine Kunst aber auch unter. Die Kenntnis so heterogenen Kunstwollens
wie der italienischen Meister des Quattrocento und der Spätgotiker Flamlands
und Deutschlands hätte ihn davon abhalten sollen, bei beiden gleichzeitig seine
Anregungen zu holen. Stummel ist der Klippe nicht aus dem Wege gegangen,
und so kommt's, daß neben Giotto oder Perugino gleichzeitig auch der Nieder-
länder des XV. Jahrh. oder der Meister der Lyversberger Passion in seinen
Bildern zu Worte kommen. Das beweist uns, daß der Verstorbene eben voll-
auf Kind seiner Zeit war, daß er zu sehr am Formalismus hängen blieb und
an die eigentlichen Formprobleme der historischen Stile nicht heranging. Des-
halb sind seine Werke in Wirklichkeit auch ohne die erforderliche Geschlossen-
heit und Abgeklärtheit in Komposition, Zeichnung und Farbe; es fehlt ihnen
das bestimmende Element, das von innen heraus die Richtung für alles weist,
das dem Werke erst die Einheitlichkeit gibt. Ich glaube, Stummel hat sich
selten nach dem „Warum?" in den Kompositionen der Alten gefragt, nicht
nach der Seele geforscht, die da spricht, von der alle Bewegung im Bilde nur
eine mit elementarer Gewalt vorbrechende Äußerung ist. Wenn scheinbar
 
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