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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr. 5
katholischen Kulturkreis so gern in das Gebiet der Künstlerphotographie ziehen.
Im übrigen ist hier aber auch für den weniger mit künstlerischem Blick Be-
gabten, das Motiv gewöhnlich leicht zu finden. Ja, er braucht es häufig gar nicht
zu suchen, es drängt sich ihm auf, und mit dem Motiv fällt ihm das Künstlerische
nicht selten mühelos zu.
Gerade die Bilder, bei denen das Künstlerisch-Schöne so leicht in die Augen
fällt, sind auch dem ungeschulten Laien am besten verständlich. Sie werden ihm
am ehesten das ehrlich gemeinte Urteil entlocken: das ist schön. Wenn er die
Stätte, an der er so oft gedankenlos
vorüberging, im Bilde von Künstler-
augen erfaßt vor sich sieht, dann
spricht das weihevolle Fleckchen
Erde auch endlich zu ihm. Ein
Unnennbares rührt ihn an, und es
kommt wie ein leiser Vorwurf in
ihm herauf, daß er die Schönheit,
wie sie der Künstler gesehen hat,
längst hätte wahrnehmen können,
hätte wahrnehmen müssen, wenn
er nicht wie ein Blinder durch die
Welt gegangen wäre. Aus dem
spontanen Urteil: das ist schön,
spricht nicht nur das Auge, sondern
auch das Herz, in das plötzlich eine
wundersame Erleuchtung kommt.
Diese Erleuchtung kann für immer
einen Blinden in einen Sehenden
verwandeln.
Zu Anfang wurde unter Anleh-
nung an ein plastisches Wort Dürers
gesagt, daß das Herausreißen des
Künstlerischen aus dem Motiv den
Photographen zum Künstler mache.
Weil dieses Künstlerische aber
gerade im christlichen Kulturkreis
so leicht faßbar ist, ist es zur Heran-
bildung und Veredelung des Sehens
besonders geeignet. Jeder bringt zum Genüsse dieser Kunst aus dem Elternhause
und dem Religionsunterrichte eine Fülle von hohen ethischen Grundlagen mit,
die der Erziehung zur Kunst ein fester Boden sind, wenn auf sie in der rechten
Weise aufgebaut wird. Als Schulung zum künstlerischen Sehen ist das Photo-
graphieren daher ein ganz vorzügliches Mittel; und nicht bloß für den vollendeten
Künstler, sondern auch für den noch ungewandten Amateur ist gerade der christ-
liche Motivenschatz ein besonders glückliches Gebiet. Nach den ersten gelungenen
Versuchen kommt alsbald etwas von dem Rausch des künstlerischen Schaffens
über den jungen Photographen. So bedeutungslos es auch noch ist, so befördert
es doch Lust und Liebe; und wie dem gewiegten Naturkundigen trotz Mimikry
Abb. 4. Brückenheiliger. Erwin Quedenfeldr, Düsseldorf.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr. 5
katholischen Kulturkreis so gern in das Gebiet der Künstlerphotographie ziehen.
Im übrigen ist hier aber auch für den weniger mit künstlerischem Blick Be-
gabten, das Motiv gewöhnlich leicht zu finden. Ja, er braucht es häufig gar nicht
zu suchen, es drängt sich ihm auf, und mit dem Motiv fällt ihm das Künstlerische
nicht selten mühelos zu.
Gerade die Bilder, bei denen das Künstlerisch-Schöne so leicht in die Augen
fällt, sind auch dem ungeschulten Laien am besten verständlich. Sie werden ihm
am ehesten das ehrlich gemeinte Urteil entlocken: das ist schön. Wenn er die
Stätte, an der er so oft gedankenlos
vorüberging, im Bilde von Künstler-
augen erfaßt vor sich sieht, dann
spricht das weihevolle Fleckchen
Erde auch endlich zu ihm. Ein
Unnennbares rührt ihn an, und es
kommt wie ein leiser Vorwurf in
ihm herauf, daß er die Schönheit,
wie sie der Künstler gesehen hat,
längst hätte wahrnehmen können,
hätte wahrnehmen müssen, wenn
er nicht wie ein Blinder durch die
Welt gegangen wäre. Aus dem
spontanen Urteil: das ist schön,
spricht nicht nur das Auge, sondern
auch das Herz, in das plötzlich eine
wundersame Erleuchtung kommt.
Diese Erleuchtung kann für immer
einen Blinden in einen Sehenden
verwandeln.
Zu Anfang wurde unter Anleh-
nung an ein plastisches Wort Dürers
gesagt, daß das Herausreißen des
Künstlerischen aus dem Motiv den
Photographen zum Künstler mache.
Weil dieses Künstlerische aber
gerade im christlichen Kulturkreis
so leicht faßbar ist, ist es zur Heran-
bildung und Veredelung des Sehens
besonders geeignet. Jeder bringt zum Genüsse dieser Kunst aus dem Elternhause
und dem Religionsunterrichte eine Fülle von hohen ethischen Grundlagen mit,
die der Erziehung zur Kunst ein fester Boden sind, wenn auf sie in der rechten
Weise aufgebaut wird. Als Schulung zum künstlerischen Sehen ist das Photo-
graphieren daher ein ganz vorzügliches Mittel; und nicht bloß für den vollendeten
Künstler, sondern auch für den noch ungewandten Amateur ist gerade der christ-
liche Motivenschatz ein besonders glückliches Gebiet. Nach den ersten gelungenen
Versuchen kommt alsbald etwas von dem Rausch des künstlerischen Schaffens
über den jungen Photographen. So bedeutungslos es auch noch ist, so befördert
es doch Lust und Liebe; und wie dem gewiegten Naturkundigen trotz Mimikry
Abb. 4. Brückenheiliger. Erwin Quedenfeldr, Düsseldorf.