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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Witte, Fritz: Kunst und Seele: Aphorismen zum ernsten, objektiven Nachdenken
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0103

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Nr. 6/7

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

89

Abb. 1.

Kruzifixus des XII. Jahrh. Dom zu Köln.

Momenteindrücke von Farbe und Form ihren Kunstwerken mit. Das wäre dann
der Impressionismus, die Kunst des Sehens ohne tieferes Fühlen, ohne von innen
heraus wirksame Seele. Anders, wo die Seele die Herrschaft führt; da begnügt
sich die Kunst nicht mit der sinnlichen Festlegung, hier wird sie Objektivierung
des transzendenten Seelenerlebnisses, sucht diese mit allen Mitteln ihres Könnens
zu erreichen; an die Stelle des Kunstkönnens tritt das Kunstwollen, Geist löst die
Hand ab. Daß diese Ausstrahlung seelischer Erlebnisse durch sinnfällige Mittel
der Baukunst, der Malerei, Plastik usf. stets der Einschränkung unterliegt, ist
bei der Endlichkeit der Ausdrucksmittel unserer Sinne selbstverständlich. Nirgend-
wo ist sie recht eigentlich ihrem Ziele nähergekommen als in der Raumkunst,
speziell in der Gotik. In ihr fühlt man einerseits die Unzulänglichkeit der Mittel
der Kunstsprache, anderseits auch das verärgerte Streben und Sehnen des Raum-
künstlers, die Materie als Ausdrucksmittel zurückzudrängen, wenn möglich sogar
überflüssig zu machen: Die Gotik drängt die Wand der romanischen Basilika als
raumbildenden Faktor in ihrer Selbstbejahung zurück, verleugnet sie und weckt
 
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