Nr. 6/7
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
91
Seele — wann wird der heilige Bund sich wieder schließen zwischen unseren
Künstlern und dem höchsten Ziel ihres Arbeitens: dem persönlichen Gott? Nicht
theosophische Klügeleien führen vor die Portale dieses Heiligtumes, sondern
einzig die lebendige persönliche Beziehung zum letzten Ziele, das persönliche
Untertauchen in die Sphären des Unendlichen, Ewigen, Göttlichen. Tausend
Künstler gerade unserer Tage stehen vor diesen Himmeln ihrer Kunst, können
aber nicht hinein, weil sie nicht wollen, weil eine Welt von Vorurteilen und Miß-
verständnissen usw. sich zwischen Künstler und Gott wirft. Nur einige abirrende
Strahlen fallen durch die Spalten und lassen hier und dort ein Licht aufflammen.
Es muß öl auf das glimmende Feuer gegossen werden, daß es wieder anfange zu
brennen. Und doch — gerade jetzt in den Nöten dieser Zeit: Künstler, wir finden
uns wieder amjThrone des Höchsten ! Hoffentlich! Die Kirchenwände und die
weiten Räume müssen und werden wieder euer Reich werden; damit Kunst wieder
Abb. 2. Die Cena des Lionardo da Vinci.
Seele werde und die Menschen sehen, daß Seele Kunst ist. Die Pforten der
Kirchen und der Herzen der Geistlichen und des Volkes müssen sich wieder
öffnen für euch, damit eure Predigt wieder machtvoll schalle von den Hoch-
kanzeln der Kirchenwände, damit der Hochgesang der Seelen wieder einfalle und
zusammenklinge mit dem Hochgesang der Schönheit, die ihr höchstes und letztes
Ziel wiedergefunden: Gott und die Seelen. Kunst sei Seele! Nieder mit dem
Materialismus in der Kunst! Die deutsche Gotik hat das große Problem gelöst:
Sie entmaterialisierte, vergeistigte die Materie und materialisierte das rein Geistige
und brachte dadurch das ideale Verhältnis zuwege zwischen Natur und Tran-
szendenz. Alles in ihr bekommt einen geistigen, seelischen Habitus, der die Distanz
zwischen Übersinnlichem und der sinnlichen Umwelt festlegte und im Beschauer
des Kunstwerkes nimmer den Gedanken an die Realität, besser an das Modell
aufkommen ließ. Daher die Abwendung vom Naturalismus und von der Antike.
„Stude ergo cor tuum ab amore visibilium abstrahere et ad invisibilia te transferre"
— Thomas von Kempen sagt das Wort und umschreibt damit den idealen gotischen
Kunstwillen, der auch unserer sein sollte! Witte.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
91
Seele — wann wird der heilige Bund sich wieder schließen zwischen unseren
Künstlern und dem höchsten Ziel ihres Arbeitens: dem persönlichen Gott? Nicht
theosophische Klügeleien führen vor die Portale dieses Heiligtumes, sondern
einzig die lebendige persönliche Beziehung zum letzten Ziele, das persönliche
Untertauchen in die Sphären des Unendlichen, Ewigen, Göttlichen. Tausend
Künstler gerade unserer Tage stehen vor diesen Himmeln ihrer Kunst, können
aber nicht hinein, weil sie nicht wollen, weil eine Welt von Vorurteilen und Miß-
verständnissen usw. sich zwischen Künstler und Gott wirft. Nur einige abirrende
Strahlen fallen durch die Spalten und lassen hier und dort ein Licht aufflammen.
Es muß öl auf das glimmende Feuer gegossen werden, daß es wieder anfange zu
brennen. Und doch — gerade jetzt in den Nöten dieser Zeit: Künstler, wir finden
uns wieder amjThrone des Höchsten ! Hoffentlich! Die Kirchenwände und die
weiten Räume müssen und werden wieder euer Reich werden; damit Kunst wieder
Abb. 2. Die Cena des Lionardo da Vinci.
Seele werde und die Menschen sehen, daß Seele Kunst ist. Die Pforten der
Kirchen und der Herzen der Geistlichen und des Volkes müssen sich wieder
öffnen für euch, damit eure Predigt wieder machtvoll schalle von den Hoch-
kanzeln der Kirchenwände, damit der Hochgesang der Seelen wieder einfalle und
zusammenklinge mit dem Hochgesang der Schönheit, die ihr höchstes und letztes
Ziel wiedergefunden: Gott und die Seelen. Kunst sei Seele! Nieder mit dem
Materialismus in der Kunst! Die deutsche Gotik hat das große Problem gelöst:
Sie entmaterialisierte, vergeistigte die Materie und materialisierte das rein Geistige
und brachte dadurch das ideale Verhältnis zuwege zwischen Natur und Tran-
szendenz. Alles in ihr bekommt einen geistigen, seelischen Habitus, der die Distanz
zwischen Übersinnlichem und der sinnlichen Umwelt festlegte und im Beschauer
des Kunstwerkes nimmer den Gedanken an die Realität, besser an das Modell
aufkommen ließ. Daher die Abwendung vom Naturalismus und von der Antike.
„Stude ergo cor tuum ab amore visibilium abstrahere et ad invisibilia te transferre"
— Thomas von Kempen sagt das Wort und umschreibt damit den idealen gotischen
Kunstwillen, der auch unserer sein sollte! Witte.