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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Reuter, Franz Xaver: Zur Maltechnik der Glasmaler des ausgehenden Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0108

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 6/7

Fachleute hin diesem Bedürfnisse nachzukommen, und so wurden erfahrene
Glasmaler mit den Arbeiten betraut.

Wenn man diese einzig schönen Scheiben unter Händen hat, um die be-
schädigten oder inzwischen mit der ganzen Unkenntnis einer Zeit des Nieder-
ganges verfertigten eingeflickten Stücke zu ergänzen, so wird man sich unwill-
kürlich und notgedrungen erneut in den Geist der alten Zeiten, hier speziell
der späteren Gotik oder der frühen Renaissance vertiefen. Abgesehen von der
kindlich naiven Religiosität, die einem aus diesen Glasbildern entgegenweht,
ist für den ausführenden Glasmaler die wunderbare Maltechnik, die besonders
den späteren Perioden eigen ist, von hohem Interesse.

Bei spätgotischen Arbeiten in größerer Ausdehnung, wie z. B. dem Kreuzi-
gungsfenster im Chore der St.-Jakobskirche am Waidmarkt, ist die rauhe
Stupftechnik in einer unvergleichlich weichen Art angewendet. Die vorher
aufgetragenen Schwarzlotkonturen enthielten ein Bindemittel, welches aus
Gummiarabikum oder Essig bestanden haben kann, wie man heute diese
Stoffe dazu verwendet, denn beide haben die Eigenschaft, sich bei einem
nassen Überzug nicht leicht zu lösen (mit Gummiarabikum erzielt man eine
weichere Wirkung, braucht aber auch mehr Geschicklichkeit und Erfahrung).
Mit derselben Farbe werden auch die zu untermalenden tieferschattierten
Partien angelegt. Kontur und Untermalung erhalten dann einen Über-
zug derselben Farbe mit ebenfalls leicht beigemischtem Gummiarabikum als
Bindemittel in rauher Stupfmanier aufgetragen. Nach dem Auftrocknen läßt
sich die Farbe mit der weichen Hand und dem Borstenpinsel wegwischen
und also modellieren. Das Wischen mit dem weichen Ballen der Hand er-
zeugt auf der rauhgestupften Fläche das an alten Glasmalereien so charak-
teristische Korn. Die bestehenden Konturen können nun nach Gefühl und
Bedarf mit zugespitztem Holz wieder entfernt werden, und wird durch das
Fehlen jeder harten Linie eine Weichheit, besonders in der Gewandbehand-
lung hervorgebracht, die äußerst duftig und zart, aber trotzdem weit entfernt
von jeder Weichlichkeit ist.

Die Anwendung dieser Technik ist ein hoher Genuß für den ausführenden
Glasmaler, weil die Biegsamkeit des Materials auch die kleinsten Zufälligkeiten
erlaubt. Ein klassisches Beispiel dieser Maltechnik, speziell in den gewand-
lichen Partien, ist das anfangs angeführte Fenster in der St.-Jakobskirche.
Noch zarter und duftiger ist ein Fenster in St. Marien im Kapitol, das erste
im Seitenschiff auf der Evangehenseite nahe der Orgel mit einer Einzel-
figur der Mutter Gottes; es fehlt hier jeder Kontur in der Gewandung und
ist die Modellierung nur ein zartes Nebeneinander von weichem Hell undDunkel.

Bei Wandmalereien oder Ölbildern würden solch leichte Töne dem Auge
überhaupt entschwinden, aber bei der Durchsichtigkeit des Glases trübt auch
der leiseste Hauch von Matt oder Farbe den Glanz desselben und läßt noch
einen Unterschied zu. — So finden sich alte Scheiben, auf denen scheinbar
kaum noch irgendwelche Bemalung vorhanden ist, aber ins rechte Licht gerückt,
die ganze Modulation zum Ausdruck kommt.

Bei späteren Arbeiten als den vorstehend angeführten (ich weise auf ge-
wisse Scheiben hin aus Maria Lyskirchen) wird die Art und Weise der Be-
handlung, der Darstellung entsprechend noch weicher und zarter und nähert
 
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