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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Witte, Fritz: Johann Hartmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0124

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Nr. 8

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

109

Abb. 4.

Flucht nach Ägypten.

eine seltsame Größe, eine Weite, in die das Geschehnis als einzige Bewegung
lebenspendend hineingreift. Die hl. Familie im Bildzentrum zieht einher in
weltferner Verlassenheit und Verstoßung, darum aber auch um so stärker und
inniger zusammengeschlossen zu einer Gruppe, die Thema des Bildes und sein
Ausgangspunkt sein soll.

Hartmann ist vornehmlich religiöser Maler, und er will es sein; sein stark
dichterisch veranlagtes Gemüt findet stets neue Nährkraft in allem Religiösen.
Er ist keine komplizierte, spitzfindige Theologennatur, schlicht und einfach, tief
gläubig erlebt er die hl. Geschichten von der Wiege bis zum Grabe unseres
Erlösers. Welch' ein wahrhafter Segen, daß Hartmann infolge seines früheren
Berufes nur wenig Gelegenheit hatte, all'die verbildende Tautologie und das ewige
rezeptmäßige Repetitonum religiöser Kunst der letzten Jahrzehnte kennen zu
lernen, die für so manchen Künstler das frühe Grab bedeuteten. Er kennt
nicht den beinahe ausverkauften Laden des Historismus in der Ikonographie,
der ein vertiefendes Beschauen religiöser Kunst fast überflüssig macht, da der
eine Künstler fast genau dasselbe sagt wie der andere. Hartmann tritt völlig
unbefangen, aber gläubig ergriffen an das religiöse Geschehnis heran und
schneidet mit dem Messer in seine Druckplatte, was er selbst sieht und
selbst fühlt. Infolgedessen reizen seine Erzählungen, ihm nachzugehen, mit
ihm zu empfinden, und stets finden wir bei ihm auch etwas Neues, vielfach
tief Ergreifendes.

Ist nicht sein „Abendmahl" etwas völlig Neues? Es sind Hartmanns frühere
Mitgesellen, die sich um den Heiland geschart haben; einfache, biedere deutsche
Männer, die bei ihm zu Tische sitzen; kernige Menschen voll Ehrlichkeit und
demutsvoller Ergebenheit gegen ihren Meister. Nicht sehr laut, aber tief ist
 
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