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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Witte, Fritz: Johann Hartmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0130

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Nr. 8

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

115

Abb. 8.

Der Kreuzschnabel.

noch einmal ein Mensch auf und zwingt den Erfolg; dann aber engt sich mehr
und mehr der Weg; die breite Fahrstraße wird zum engen Pfad, der nicht mehr
in Windungen und Biegungen, sondern in eilendem Fluß geradeaus aufs Ziel
führt, in das alle Lebenswege des Menschentumes münden: auf das Grab. —
Diesem ringenden Leben in allen seinen Phasen geht des Künstlers Messer
nach; die Hand spricht das Empfinden nach, findet für Erfolg und Versagen
die Ausdrucksform in der breiter oder schmaler fließenden Linie. Solche
Gedankenmalerei halte man doch nicht ohne weiteres für zwecklos oder gar
absurd; zum mindesten dient sie dem Künstler, der sie übt, um möglichst
nahe heranzukommen an die Seele, möglichst weit auch abzurücken vom ge-
dankenlosen Naturalismus, der die Kunst ertötet.

Was uns an des jungen Künstlers Arbeit verheißungsvoll zu sein scheint, das
ist die souveräne Beherrschung des Messers, das Meistern des Materiales, die
Abkehr von der hohlen Phrase und die Rückkehr zur Individualität und künst-
lerischen Freiheit gerade in seinem Schaffen auf dem Gebiete der so ungeheuer
wichtigen religiösen Kunst.

Hartmann gibt seinen Werken urwüchsige Kraft mit; er will nicht Tradition
und Nachbetung, die beide unehrlich sind, er will sich selbst zeigen im Spiegel
seiner Kunst; sein religiöses Empfinden will er sich vor uns allen von der Seele
beichten. Nun sage jeder Leser ehrlich, ob er selbst die Geheimnisse und Ge-
schehnisse der Religion ehrlicher und tiefer und gläubiger empfinde als der
Künstler. Wenn nicht, so greife er zu diesen Blättern und lasse sich von ihnen
predigen; nicht so gewaltig und erschütternd wie von Dürers Apokalypse-
blättern, mehr lyrisch, mehr still, anbetend fromm wie Dürers Madonnen
und Passion. Da Hartmann aus unserer Zeit geboren, und auch seine Kunst,
wird diese um so leichter vernehmbar zu uns reden. Mag er ruhig bleiben
 
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