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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr. 8
mögen, nicht nach dem Kanon, sondern aus dem miterlebenden Fühlen heraus.
Dafür ist vor allem „Mutter und Kind" ein Beispiel. Ob vor diesem Bilde
nicht selbst die professionierten Widersacher der von uns erstrebten Ausdrucks-
kunst ihre pathetischen Entrüstungsausbrüche eindämmen? Ihnen sagen wir,
daß wir dieses Stückchen Ausdruckskunst, weil es so warm und wahr ist und
zur Wärme und zur Wahrheit führt, ihrer Bühnenkunst, den sich brüstenden
Heiligen und den schlappen kranken Gottesgestalten als ein Muster und Schul-
beispiel gegenüberstellen (Taf. IX).
Urteilen wir Kunsthistoriker und Ästheten richtiger über Kunst, oder das
Volk? Sagen wir doch mea culpa! Wir, wir nicht zuletzt haben das Volk
seines köstlichsten Besitzes und Vorsprunges beraubt, seiner ehrlichen Unbe-
fangenheit nämlich ;
wir haben ihm un-
sere komplizierte
Auffassung aufge-
zwungen, indem wir
sie zu einer Mode-
sache machten, die
jeder mitmachen
sollte. Darum, weil
es künstlich zurUn-
wahrhaftigkeit er-
zogen wurde, verlor
das Volk seinen
natürlichen guten
Geschmack. Aber,
Gott sei's gedankt!
— als latente Gabe
schlummert desVol-
kes Begabung wie
in einer Kinderseele
und harrt nur der Erlösung. So wie ein Künstler die rechte Saite rührt in
des einfachen Mannes Seele, so klingt sie laut, nein stürmisch mit. Da fliegt
der ganze Plunder aufgequälter Traditionsmeierei beiseite, und die Wahrheit,
die Ehrlichkeit kommt wieder zu Throne. — Es ist deshalb kein Zufall, wenn
schon heute alles nach Hartmanns Holzschnitten greift, besonders nach den
religiösen: ein Mann des Volkes spricht zum Volke. Wie eine entlarvte
Heuchlerin steht da die Stilakrobatik, die von den längst nicht mehr zu ge-
nießenden Brosamen lebt, die von der alten Gotiker Tische fielen.
Ein herzhaftes „Glück auf" wird jeder ihm entgegenrufen, dem am Gedeihen
echter volkstümlicher christlicher Kunst gelegen ist. Die Zeitschrift hat die
Hoffnung, noch recht oft von Johann Hartmann ihren Lesern weitere Beweise
seines durch Fleiß, Können und Selbstkritik erzielten Fortschrittes vorführen
zu können. Witte.
Abb. 11.
Das Grab.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr. 8
mögen, nicht nach dem Kanon, sondern aus dem miterlebenden Fühlen heraus.
Dafür ist vor allem „Mutter und Kind" ein Beispiel. Ob vor diesem Bilde
nicht selbst die professionierten Widersacher der von uns erstrebten Ausdrucks-
kunst ihre pathetischen Entrüstungsausbrüche eindämmen? Ihnen sagen wir,
daß wir dieses Stückchen Ausdruckskunst, weil es so warm und wahr ist und
zur Wärme und zur Wahrheit führt, ihrer Bühnenkunst, den sich brüstenden
Heiligen und den schlappen kranken Gottesgestalten als ein Muster und Schul-
beispiel gegenüberstellen (Taf. IX).
Urteilen wir Kunsthistoriker und Ästheten richtiger über Kunst, oder das
Volk? Sagen wir doch mea culpa! Wir, wir nicht zuletzt haben das Volk
seines köstlichsten Besitzes und Vorsprunges beraubt, seiner ehrlichen Unbe-
fangenheit nämlich ;
wir haben ihm un-
sere komplizierte
Auffassung aufge-
zwungen, indem wir
sie zu einer Mode-
sache machten, die
jeder mitmachen
sollte. Darum, weil
es künstlich zurUn-
wahrhaftigkeit er-
zogen wurde, verlor
das Volk seinen
natürlichen guten
Geschmack. Aber,
Gott sei's gedankt!
— als latente Gabe
schlummert desVol-
kes Begabung wie
in einer Kinderseele
und harrt nur der Erlösung. So wie ein Künstler die rechte Saite rührt in
des einfachen Mannes Seele, so klingt sie laut, nein stürmisch mit. Da fliegt
der ganze Plunder aufgequälter Traditionsmeierei beiseite, und die Wahrheit,
die Ehrlichkeit kommt wieder zu Throne. — Es ist deshalb kein Zufall, wenn
schon heute alles nach Hartmanns Holzschnitten greift, besonders nach den
religiösen: ein Mann des Volkes spricht zum Volke. Wie eine entlarvte
Heuchlerin steht da die Stilakrobatik, die von den längst nicht mehr zu ge-
nießenden Brosamen lebt, die von der alten Gotiker Tische fielen.
Ein herzhaftes „Glück auf" wird jeder ihm entgegenrufen, dem am Gedeihen
echter volkstümlicher christlicher Kunst gelegen ist. Die Zeitschrift hat die
Hoffnung, noch recht oft von Johann Hartmann ihren Lesern weitere Beweise
seines durch Fleiß, Können und Selbstkritik erzielten Fortschrittes vorführen
zu können. Witte.
Abb. 11.
Das Grab.