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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Witte, Fritz: Apokryphe, legendarische und volkstümliche Elemente in den Weihnachtsbildern des ausgehenden Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0137

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Nr. 9

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

I

mit allen nur möglichen Ausschmückungen, welche Künstlerphantasie erfinden
kann. Wie bei den der Passion entlehnten Darstellungen der bildenden Kunst im
ausgehenden Mittelalter, so ist man auch bei der Betrachtung der Darstellungen
der Geburt versucht, den reichen bildnerischen Apparat der Ausschmückung
zurückzuführen auf das geistliche Schauspiel jener Zeit. Die Anhaltspunkte dafür
sind aber so schwach, daß man den Gedanken fallen lassen und die szenische Ge-
staltung der Weihnachtsbilder einzig und allein als eine Erfindung der mittelalter-
lichen Künstler und des an den Weihnachtsbildern mit besonderer Freude hän-
genden Volkes betrachten
muß".

Wenn man dem Ur-
sprung dieser repräsenta-
tiven Bilder von der Ge-
burt des Herrn nachgehen
will, wird man immer
wieder auf Italien zurück-
kommen. Das ist nicht zu
verwundern, wenn wir be-
denken, daß der Heilige
von Assisi eigentlich der-
jenige gewesen ist, der die
Geburt des Herrn gewis-
sermaßen szenisch populär
den Gläubigen in seiner
Krippe vorgeführt hat. Als
gerade im XV. Jahrh. die
Niederländer nach Italien
zogen und dort sich mehr
thematisch und kompo-
sitionell als formal durch
die italienische Kunst des
Quattrocento beeinflussen
ließen, brachten sie gewiß
auch die neue italienische
Aufmachung der Weih-
nachtsbilder mit heim.

Es ist nicht schwer, diesen Einfluß Italiens an der Hand der Bilder nachzu-
weisen. Grundlegend war vor allem die fast prinzipielle Lossage von der eigent-
lichen Krippe und die Umgestaltung des Geburtsbildes zu einem Bilde der „An-
betung des Kindes". Gerade die holländischen und niederrheinischen Meister
heben das Christuskind fast immer aus der Krippe und legen es auf einen Mantel-
zipfel der Gottesmutter oder auf ihr auf dem Boden ausgebreitetes Kopftuch
(Altar zu Calkar). Eine ungemein liebenswürdige Fassung hat eine Geburtsszene
auf dem Steinaltare in der Kirche zu Schiedehausen bei Osnabrück. Hier ist die

2 S. zu der Frage des Einflusses der Schauspiele M. Herrmann, <<Fo™?]}unMen?4lU[
deutschen Theatergeschichte des Mittelalters und der Renaissance". Berlin 1914. b. LW ■
u. p.; dort auch die reiche Literatur von C. Meyer bis E. Male.

Abb. 3. Hieron. Bosch: Weihnacht. (Wailraf-Richartz-Museum, Köln.)
 
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