Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

DOI Artikel:
Witte, Fritz: Der Meister von Osnabrück im Diözesanmuseum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0151

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
134

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 10/1

DER MEISTER VON OSNABRÜCK
IM DIÖZESANMUSEUM.

(Mit Tafel XI und 5 Abbildungen.)

Der sogenannte Meister von Osnabrück hat in den letzten zehn Jahren gar
oft das Interesse der auf dem Gebiete der Geschichte heimischer Plastik
tätigen Forscher gefunden. Positives über sein Leben, seine Herkunft und
den Ort seiner Tätigkeit ist bislang nicht zutage gefördert worden. Fast komisch
mutet es uns an, daß er seinen angenommenen Namen bekommen hat nach Ar-
beiten, die ihm heute von den wenigsten noch zugesprochen werden (Apostel-
figuren im Dome zu Osnabrück)1. B. Meyer faßt alles Bekannte über den
Meister in seiner Veröffentlichung der Plastiken des Landesmuseums zu Münster
zusammen in wenige Worte, und doch ist das, was er sagt, das Beste und Sicherste2.
Wir sind genötigt, vorläufig des Plastikers Werk allem reden zu lassen und ihn
nach seinem Können und Wollen einzugliedern innerhalb der Kunst der engeren
wie der ferneren Heimat. Das ist sicher, wer immer das bisheran schon umfang-
reiche Opus des Meisters betrachtet, wird auch willens sein, diesem die Benennung
„Meister von Osnabrück" zu belassen; denn um die Diözesanhauptstadt kristal-
lisiert sich der Hauptteil seines Schaffens, was Quantität wie auch Qualität angeht;
im Dome zu Osnabrück und in seiner Nachbarschaft haben wir auch die einzigen
datierten Werke, die mittelbar oder unmittelbar mit ihm im Zusammenhang
stehen. Auch das ist gewiß: der Osnabrücker Meister ist als Künstler nicht einfach-
hin ein Kind seiner Heimat allein; in ihm begegnen sich Auffassungen und Werk-
stattübungen, die, wie nach Holland, so auch nach Süddeutschland, vielleicht Ulm,
verweisen; seine Eigenart als Westfale hat er nie verleugnet, sie vielmehr allen
Arbeiten mehr oder minder deutlich aufgeprägt. Wichtig scheint mir die Vervoll-
ständigung des Kataloges der bekannt gewordenen Arbeiten des Meisters be-
sonders deshalb, weil man diese gar zu leicht zu spät datiert; das barocke Element
in ihnen läuft der Heimatplastik weit voraus und ist sicher in Süddeutschland
geboren. Es erübrigt sich, hier nochmals alle Werke aufzuführen. Aber ein ganz
bedeutsames Opus wollen wir heute ihnen anfügen, das ich für das individuellste,
stärkste und sicherlich auch von seiner eigenen Hand gearbeitet halte. Es ist eine
Schmerzensmutter im Diözesanmuseum. Sie ist vollrund aus Eichenholz ge-
schnitten, bis auf die rechte Hand und einen Finger der linken wohlerhalten und
zeigt noch deutliche Spuren einer vorbildlichen Polychromie, die vor allem am
Kopfe noch gut erhalten ist. Ihre Höhe beträgt etwa 60 cm.

Diese köstliche Figur hat noch nichts von den vielen Äußerlichkeiten, die die
meisten dem Osnabrücker Meister zugeschriebenen Plastiken aufweisen, der Nach-
druck ist nicht auf reiche dekorative Wirkung, als vielmehr auf Ausdruck gelegt.
Ihm zuliebe ist alles Anatomische und was man sonst gemeinhin „schön" nennt,
vergewaltigt. Nicht einmal Spielbein und Standbein sind genügend klar heraus-

1 S. Schweitzer, Die Skulpturensammlung des städtischen Suermondt-Museums zu
Aachen. 1910, S. 33.

2 B. Meyer, Das Landesmuseum der Provinz Westfalen, Band I: Skulpturen. Berlin
1914, siehe unter Nr. 200.
 
Annotationen