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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Dolfen, Christian: Aus dem Paramentenschatz des Diözesanmuseums zu Osnabrück
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0158

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Nr. 10/11_________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.___________141

Gewandung wirkt in ihrer meisterhaften Goldlasurtechnik großflächig und hebt
seinen Träger aus der figurenreichen Szene als Hauptperson heraus. Bei den die
Hauptpersonen umgebenden Darstellungen kommt die Liebe der Niederländer
zum Detail zum Durchbruch. Trachten und Gewänder sind mit außerordentlicher
Sorgfalt und Mannigfaltigkeit behandelt. Die Gugeln und Hauben, Kalotten und
Barette, Schauben und Schecken sind bis in die kleinsten Einzelheiten ausgestickt.
Die reichen Verzierungen der Haubenwülste und der Stab in Joachims Hand, den
eine bänderartige Zeichnung schmückt, wollen unter diesem Gesichtspunkte ge-
würdigt werden.

Anschließend an die soeben beschriebene Szene führt uns der Künstler unter
einem reich verzierten Baldachin, der sich aus dem blauen Grunde gut abhebt, ein
weiteres Bild aus dem apokryphen Marienleben vor. Joachim, wegen seiner Un-
fruchtbarkeit aus demTempel verwiesen, geht im Kummer zu den Essenern hinaus,
betet hier und erhält die Weissagung, daß ihm eine Tochter geschenkt werde.

Die Darstellung ist am stärksten beschädigt von allen Stickereien, aber auch
so bietet sie noch immer Zeugnis von dem Können des Meisters. Unter dem
ganz in Gold ausgeführten Ziergiebel, der durch rote Uberfangstiche und weiße
Versetzungsstiche sich reich architektonisch gliedert, erheben sich einige durch
rote Versetzungsstiche malerisch belebte Wandflächen. Vor diesen kniet auf
grünem, blumenbesetztem Rasen, umgeben von Hirten und Schafen, Joachim in
betender Stellung. Über ihm schwebt ein Engel im Lockenhaare, das im gewun-
denen Knötchenstich über die Schultern herabwallt, und hält ihm ein Pergament
mit der Kunde des frohen Ereignisses vor Augen. Zeichner und Sticker haben sich
auch hier glücklich in der Darstellung des flehenden Joachim gefunden. Der
Sticker versteigt sich hier zu der technischen Spielerei, daß er sogar die ver-
schiedenen Farben töne des Pergaments darzustellen versucht. Der Engel hält
Joachim zur Mitteilung seiner frohen Kunde eine Pergamentbulle vor Augen,
goldene Bullensiegel hangen ab, und scharf hebt sich das helle Weiß der Phkatura
von dem dunklen Unterton der Rückseite ab. Der bei dem zweiten Bilde gebotene
Ziergiebel wiederholt sich bei der dritten Darstellung des Pektorale: der Begeg-
nung Joachims und Annas unter der goldenen Pforte. Die Legenda aurea erzählt,
wie Joachim unter den Hirten, so habe auch Anna in ihrem Hause durch einen
Engel Kunde von dem frohen Ereignisse erhalten, das ihrer harre. Gleichzeitig
erhielt sie den Befehl, sich zum Tempel zu begeben, dort werde sie unter der
goldenen Pforte ihren Gemahl treffen. Meisterhaft hat der Künstler die mächtigen
Unterbauten des goldenen Tores darzustellen verstanden. Durch aufgelegte Silber-
fäden und rote Konturfäden ist das Rot der Ziegelmasse lebendig aufgelöst und ge-
gliedert. Goldteppiche, die mit rotem Muster belebt sind, spannen sich zwischen die
geöffneten Bogenhallen und stellen die beiden sich begegnenden Gestalten in ein
solches Licht, daß man ihre innere Freude fast aus den Zügen zu lesen vermeint.

Auf dem Pektorale hatte der Stab einschließlich einer breiten Goldborte
ungefähr 19 cm Breite, auf dem Dorsale dehnt er sich bis 24 cm aus. In dem unter-
sten Bilde des Dorsale führt der Künstler unter einem mit vier Figuren, die unter
ausgekragten Baldachinen stehen, belebten Ziergiebel die Geburt Mariens vor.
J 9emac^ !^es ausgehenden XV. Jahrh. ist mit reizenden Details durch Stift
und Nadel hingezaubert. Die Lagerstätte der Wöchnerin mit den gotischen
Schnitzereien, die Pfühle des Lagers, der bis in die feinsten Glieder ausgestickte
 
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