Der Herr Gevatter.
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dem Wetter reisen muß. Aber freilich, die Herren fragen nicht
darnach."
„Was ist'S denn?" sagte der Ochsenwirth, „wo willst
Du denn hin, Gcvattcrmann?"
Der Controleur drückte die Auge» ganz zusammen. „In
die Residenz muß ich", antwortete er. „Ich habe mit dem
Steuercollegium viel zu verhandeln, werd' wohl acht Tage hcr-
umtappen müssen auf dem theuern Pflaster. Es könnte mir
zu keiner ungeschickteren Zeit kommen, denn mein Stellvertreter
will morgen auch fort. Ich hätt's ihm gerne abgeschlagen,
aber er hat einen Vetter im Sterben und wen» ein Testament
aufm Spiele steht, so muß man christlich sein. Jetzt muß ich
mich eben auf der Leute Ehrlichkeit verlassen; doch aber ist
mir's lieber, Du lassest keinem wissen oder merken, daß ich so
lange ausblciben werde."
Der Ochsenwirth vcrsprach's, der Controleur trank aus,
der Ochsenwirth nahm keinen Kreuzer von ihm, begleitete ihn
die Treppe hinunter und wünschte ihm glückliche Reise, dann
sprang er wieder herauf, immer drei Staffeln zugleich, und
ging eilig in die Kammer zu seiner Frau, um ihr die Unter-
redung mit dem Gevatter zu erzähle».
„Du, Konrad." sagte Lisabeth, welche sehr aufmerksam
zugehört hatte, „mcrk'st Du was? der Gevatter will uns einen
Hasen in die Küche jagen."
„3", so kommt mir's auch vor," erwiderte der Mann.
„Ich hätt's nicht hinter ihm gesucht, daß er's so gut mit
uns meint."
Er kratzte sich hinter de» Ohren. „Ich weiß nicht", fuhr
er fort, „ich Hab' mein Umgeld immer ehrlich und redlich
bezahlt, denn warum? Es ist eben doch nichts, wenn was Un-
rechtes auf einen hcrauskommt; dann hat man den Schaden
und darf für de» Spott nicht sorgen. Aber freilich, dießmal
ist die Gelegenheit gar zu gut."
einig, die Gelegenheit zu benützen um dießmal einen wohlfeilen !
Wein in den Keller zu bringen.
Ein Paar Tage darauf war der Ochsenwirth mit seinen
vollen Fässern zurück. Die Zeit konnte nicht günstiger sein; j
weit und breit ließ sich kein überflüssiger Zuschauer blicken und j
der Gevatter war ja fern, wo der Pfeffer wächst, nämlich beim
Steuercollegium, wo das Gewürze zubercitet wird, ohne daß
man die Staatshaushaltung weder fühlen noch schmecken würde.
Der Ochsenwirth war im besten Abladen begriffen, da hört er
auf einmal eine Stimme, die ihm so bekannt, daß er meint,
der Schlag wolle ihn rühren, und wie er aufschaut, so steht
sein Gevatter leibhaftig vor ihm.
„Ei, ei, ei!" sagt der Gevatter und macht ein recht be-
trübtes Gesicht, „muß mich denn jetzt der Unstern auch gerade-
wegs daher führen! Ich hatte mich so gefreut, daß meine Ge-
schäfte schnell abgemacht waren und nun wollt' ich doch, sie
hätten mich noch acht Tage länger hcrumgczogcn. Ich möchte
mir ja alle Haare aus dem Kopfe reiße», daß ich so unge-
schickt bin und muß Dich da erwischen, Gevattermann! Das
hättest Du mir unterwegs lassen könne»; ich bin Dir ganz
gram, daß Du mich in die Verlegenheit bringst. Ei, ei, ei!
Aber Hab' ich Dir's nicht gesagt, Du sollest nicht auf bösen
Wegen gehen? Hab' ich Dich nicht gewarnt? Aber so geht's,
wenn man auf guten Rath nicht hört. Jetzt haben wir's
Beide! Du hast den Schaden, und ich Hab' den Verdruß, daß
ich meinen eigenen Gevattermann in Strafe bringen muß.
Nu», in Gottes Namen, was sein muß, muß sein; jetzt bin
ich eben im Dienst. Lad' nur vollends ab."
Wie hoch der Ochsenwirth gestraft worden ist, weiß ich
nicht, aber das weiß ich, daß er bei seinem nächsten Kinde den
Controleur nicht mehr zum Gevatter genommen hat, denn er
hatte erfahren, daß der Gevatter gar nicht verreist gewesen war.
„Ja", fiel Lisabeth ein, „und
der Gevatter könnt' Dir's übel
nehmen, wenn Du ihm nicht
folgst. Er hat Dir's so deutlich
eiugcgebcn, daß Du Dich nicht
ausreden kannst. Morgen geh'
ich, sagte er, und acht Tage bleib'
ich aus und lasse Niemand zurück,
der den Dienst versieht. Jetzt
sag'S selber, ob er so gesprochen
hätte, wenn er nicht auf Deinen
Nutzen bedacht wäre."
„Es ist wahr", versetzte Kon-
rad, „er will's haben; wenn ich's
nicht thue, so meint er, ich ver-
achte ihn, und sitzt mir nachher
um so ärger auf."
„Ja, so ist's," sagte Lisa-
beth, und beide Ehegatten wurden
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dem Wetter reisen muß. Aber freilich, die Herren fragen nicht
darnach."
„Was ist'S denn?" sagte der Ochsenwirth, „wo willst
Du denn hin, Gcvattcrmann?"
Der Controleur drückte die Auge» ganz zusammen. „In
die Residenz muß ich", antwortete er. „Ich habe mit dem
Steuercollegium viel zu verhandeln, werd' wohl acht Tage hcr-
umtappen müssen auf dem theuern Pflaster. Es könnte mir
zu keiner ungeschickteren Zeit kommen, denn mein Stellvertreter
will morgen auch fort. Ich hätt's ihm gerne abgeschlagen,
aber er hat einen Vetter im Sterben und wen» ein Testament
aufm Spiele steht, so muß man christlich sein. Jetzt muß ich
mich eben auf der Leute Ehrlichkeit verlassen; doch aber ist
mir's lieber, Du lassest keinem wissen oder merken, daß ich so
lange ausblciben werde."
Der Ochsenwirth vcrsprach's, der Controleur trank aus,
der Ochsenwirth nahm keinen Kreuzer von ihm, begleitete ihn
die Treppe hinunter und wünschte ihm glückliche Reise, dann
sprang er wieder herauf, immer drei Staffeln zugleich, und
ging eilig in die Kammer zu seiner Frau, um ihr die Unter-
redung mit dem Gevatter zu erzähle».
„Du, Konrad." sagte Lisabeth, welche sehr aufmerksam
zugehört hatte, „mcrk'st Du was? der Gevatter will uns einen
Hasen in die Küche jagen."
„3", so kommt mir's auch vor," erwiderte der Mann.
„Ich hätt's nicht hinter ihm gesucht, daß er's so gut mit
uns meint."
Er kratzte sich hinter de» Ohren. „Ich weiß nicht", fuhr
er fort, „ich Hab' mein Umgeld immer ehrlich und redlich
bezahlt, denn warum? Es ist eben doch nichts, wenn was Un-
rechtes auf einen hcrauskommt; dann hat man den Schaden
und darf für de» Spott nicht sorgen. Aber freilich, dießmal
ist die Gelegenheit gar zu gut."
einig, die Gelegenheit zu benützen um dießmal einen wohlfeilen !
Wein in den Keller zu bringen.
Ein Paar Tage darauf war der Ochsenwirth mit seinen
vollen Fässern zurück. Die Zeit konnte nicht günstiger sein; j
weit und breit ließ sich kein überflüssiger Zuschauer blicken und j
der Gevatter war ja fern, wo der Pfeffer wächst, nämlich beim
Steuercollegium, wo das Gewürze zubercitet wird, ohne daß
man die Staatshaushaltung weder fühlen noch schmecken würde.
Der Ochsenwirth war im besten Abladen begriffen, da hört er
auf einmal eine Stimme, die ihm so bekannt, daß er meint,
der Schlag wolle ihn rühren, und wie er aufschaut, so steht
sein Gevatter leibhaftig vor ihm.
„Ei, ei, ei!" sagt der Gevatter und macht ein recht be-
trübtes Gesicht, „muß mich denn jetzt der Unstern auch gerade-
wegs daher führen! Ich hatte mich so gefreut, daß meine Ge-
schäfte schnell abgemacht waren und nun wollt' ich doch, sie
hätten mich noch acht Tage länger hcrumgczogcn. Ich möchte
mir ja alle Haare aus dem Kopfe reiße», daß ich so unge-
schickt bin und muß Dich da erwischen, Gevattermann! Das
hättest Du mir unterwegs lassen könne»; ich bin Dir ganz
gram, daß Du mich in die Verlegenheit bringst. Ei, ei, ei!
Aber Hab' ich Dir's nicht gesagt, Du sollest nicht auf bösen
Wegen gehen? Hab' ich Dich nicht gewarnt? Aber so geht's,
wenn man auf guten Rath nicht hört. Jetzt haben wir's
Beide! Du hast den Schaden, und ich Hab' den Verdruß, daß
ich meinen eigenen Gevattermann in Strafe bringen muß.
Nu», in Gottes Namen, was sein muß, muß sein; jetzt bin
ich eben im Dienst. Lad' nur vollends ab."
Wie hoch der Ochsenwirth gestraft worden ist, weiß ich
nicht, aber das weiß ich, daß er bei seinem nächsten Kinde den
Controleur nicht mehr zum Gevatter genommen hat, denn er
hatte erfahren, daß der Gevatter gar nicht verreist gewesen war.
„Ja", fiel Lisabeth ein, „und
der Gevatter könnt' Dir's übel
nehmen, wenn Du ihm nicht
folgst. Er hat Dir's so deutlich
eiugcgebcn, daß Du Dich nicht
ausreden kannst. Morgen geh'
ich, sagte er, und acht Tage bleib'
ich aus und lasse Niemand zurück,
der den Dienst versieht. Jetzt
sag'S selber, ob er so gesprochen
hätte, wenn er nicht auf Deinen
Nutzen bedacht wäre."
„Es ist wahr", versetzte Kon-
rad, „er will's haben; wenn ich's
nicht thue, so meint er, ich ver-
achte ihn, und sitzt mir nachher
um so ärger auf."
„Ja, so ist's," sagte Lisa-
beth, und beide Ehegatten wurden
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Herr Gevatter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 27.1857, Nr. 648, S. 175
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg