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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 7.1892

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Kekulé von Stradonitz, Reinhard: Anakreon
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https://doi.org/10.11588/diglit.37649#0129
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ANAICREON
(Tafel 3)

In Villa Borghese in Rom befanden sich früher zwei berühmte, viel
besprochene Bildnisstatuen, eine stehende und eine sitzende. Sie waren 1835 in
Monte Calvo in der Sabina gefunden und zu gleicher Zeit in die Sammlung Bor-
ghese gekommen, aus der sie jetzt beide verschwunden sind. Die stehende ist bei
Herrn Jacobsen in Kopenhagen, die andere vermutlich noch im Besitz eines
Kunsthändlers.
Als die beiden Statuen zuerst beachtet wurden, glaubte man noch aus der
Gesamterscheinung einer Porträtfigur, vor allem aber aus den Zügen des Antlitzes
nicht nur Stand und Charakter des Dargestellten, sondern geradezu seinen Namen
mit leidlicher Gewifsheit ablesen zu können — wohl in unbewufstem Nachklang
dessen, was Goethe die Lavatersche Hetze genannt hat. Die stehende Statue wurde
meist Tyrtäos oder Pindar, die sitzende Anakreon genannt. Von diesen zunächst nur
ganz zufällig angehefteten Namen hat Brunn' den letzteren durch eine ausführliche
Darlegung als richtig zu erweisen versucht. Aber sein Ergebnis hat die Probe durch
die Tatsache eines neuen Fundes nicht bestanden. Im Jahr 1884 wurde in Rom,
in Trastevere, eine Hermenbüste gefunden, welche durch die Namensbeischrift als
Anakreon bezeichnet ist. Sie gleicht nicht dem sitzenden, sondern dem stehenden.
Freilich hat C. L. Visconti* 2, der den Fund zuerst besprach, dieses Sachverhältnis ver
kannt: er glaubte, die Büste sei eine Bestätigung der Brunnischen Benennung. Aber
das war ein Versehen. Den unzweifelhaft richtigen Schlufs hat sofort Wolters
gezogen3. Nicht die sitzende, sondern cjie stehende Figur ist Anakreon.
Den beiden bisher bekannten Bildnissen des Anakreon4 kann ich drei neue
hinzufügen. Zunächst den auf Tafel 3 abgebildeten Kopf, der sich seit kurzem im
Berliner Museum befindet und den Anlafs zu diesem Aufsatz gegeben hat, dann

]) Annali 1859, S. 155^- Vergl. Welcker, Kleine
Schriften I S. 251 ff. Welckers Leben S. 432ff.
O. Jahn, Uber Darstellungen griechischer Dich-
ter auf Vasenbildern (Abhandlungen der sächsi-
schen Gesellschaft der Wissenschaften VIII,
Leipzig 1861) S, 72Öff.
2) Bullettino arclieologico della commissione archeolo-
gica comunale di Roma 1884 S. 34 ff.
3) Archäologische Zeitung 1884 S. 149 ff.
4) Die Inschriftherme aus Tivoli ist leider ohne
Kopf. Über sie giebt Nachricht E. Q. Visconti,
und ihre nähere Bestimmung gewinnen läfst
Jahrbuch des archäologischen Instituts VII.

Museo Pio - Clementino I zu Tafel 8, VI zu
Tafel 22 und 22a, Iconographie Grecque I, 1 § 6.
In der Iconographie spricht er auch über die
Münzbilder, welche Anakreon darstellen wollen.
Über sie hat aufser O. Jahn und Wolters Bürch-
ner in Sallets Zeitschrift für Numismatik IX
(1882) S. 117h gesprochen. Ich glaube, dafs
sich weder aus diesen Münzbildern noch aus
den Epigrammen der Anthologie, welche eine
Anakreonstatue zu schildern vorgeben, etwas
für die von mir besprochenen Skulpturwerke

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