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Segers-Glocke, Christiane [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Haus Altenkamp - ein Herrensitz im Emsland: Denkmalpflege und Kulturgeschichte — Hameln: Niemeyer, Heft 18.2000

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Geschichtlicher Rückblick
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Veltmann, Claus: Die Entwicklung des emsländischen Drostenamtes in Mittelalter und früher Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.51269#0008
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Geschichtlicher Rückblick

Die Entwicklung des emsländischen Drostenamtes in Mittelalter und
früher Neuzeit
Claus Veltmann

Die Entwicklung der Hofämter im frühen und hohen
Mittelalter
Die Ursprünge des Drostenamtes sind eng verbunden mit der For-
mierung und dem Ausbau von Herrschaft im Mittelalter. Dabei
darf Herrschaft nicht im modernen Sinne verstanden werden, dass
nämlich eine Person oder Institution über ein genau begrenztes
Territorium gebietet und seine Machtgrundlage auf vertraglich
fixierten Rechten und Pflichten beruht. Diese Form der Herrschaft
bildete sich erst allmählich im Mittelalter aus. Im Frühmittelalter
war Herrschaft im germanischen Raum Stammesherrschaft, das
heißt, ein Mächtiger herrschte mit Unterstützung einer Gefolg-
schaft über eine Gruppe von Menschen, die durch Verwandtschaft
oder gemeinsame Traditionen verbunden war.
Vom 8. bis zum 10. Jahrhundert waren West- und Mittel-
europa Bedrohungen von der Peripherie ausgesetzt: Von Norden
wurde es durch die Einfälle der Wikinger, von Osten durch die
Awaren und Ungarn, von Süden durch das Vordringen des Islam
bedroht. Deshalb mussten Formen der Herrschaft gefunden wer-
den, die vor allem einen militärischen Schutz der Regionen gegen
diese Gefahren garantierten, und es bildete sich das Lehnswesen
aus: Ein Mächtiger stattete durch den Lehnseid unterstellte Vasal-
len mit ihm gehörenden Grundherrschaften aus, um sie in die Lage
zu versetzen, sich angemessen zu bewaffnen und ihren Lebens-
unterhalt daraus zu ziehen. Dafür mussten sich die Vasallen eidlich
verpflichten, dem Herrscher mit „Rat und Tat" zur Seite zu stehen
und ihn vor allem militärisch zu unterstützen. Anfangs waren die
Lehen nur über kürzere Zeiträume hinweg ausgegeben worden,
z.B. auf Lebenszeit des Lehnsnehmers oder -gebers, aber schon
nach kurzer Zeit wurden sie faktisch erblich und verblieben in der
Hand einer Familie, die durch das Lehen in den niederen Adel
aufstieg. Damit war die Tendenz verbunden, die Lehen dem Lehns-
herrn immer mehr zu entfremden und eine eigene unmittelbare
Herrschaft der ursprünglichen Lehnsnehmer aufzubauen. Dieser
Tendenz begegneten die Lehnsherren, indem sie in ihrer Herr-
schaftsausübung die sogenannten Hofämter stärkten. Obwohl
die Ursprünge der Hofämter zwar ebenfalls im germanischen Ge-
folgschaftswesen liegen, haben sie eine andere Entwicklung als
das Lehnswesen genommen. Denn die Ämter, die festumrissene
Aufgabenbereiche am Hofe des Herrn definierten, wurden nur
über einen kurzen Zeitraum und mit sozial niedrig stehenden
„Beamten", anfangs sogar mit Unfreien, später mit den so ge-
nannten Ministerialen, besetzt. Die kurzzeitige Vergabe der Ämter
und der niedrige soziale Status der Amtsinhaber sollte verhindern,
dass auch diese Ämter und ihre Einkünfte dem Landesherrn ent-
fremdet wurden. In der Sphäre dieser so genannten Hofämter, in
denen die Anfänge einer geregelten Verwaltung liegen, sind auch
die Ursprünge des Drostenamtes zu suchen. Festzuhalten ist je-
doch, dass sich im Verlauf des späteren Mittelalters und der frühen
Neuzeit die Ämter den Lehen immer mehr anglichen: Sie blieben
in der Hand einer Familie, die in den niederen Adel aufrückte
oder ihm entstammte.
Die Entwicklung des Lehnswesens zeigt anschaulich Ursprünge
und Wesen der Herrschaft bis zum 10. Jahrhundert: Sie war noch
nicht Herrschaft über Land, sondern Herrschaft über Menschen.
Aber die Mächtigen, in Deutschland adlige Fürsten und einige
Bischöfe, waren gleichzeitig Grundherren, sie geboten über Höfe,
die ihre Existenz sicherten. Häufig bildeten diese nicht einen zu-

sammenhängenden Komplex, sondern waren über ein großes
Gebiet verstreut. Zudem besaßen sie in der Regel lokale oder
regionale „Herrenrechte": z.B. konnten sie Gerichtsherren sein,
verfügten über das Markt- und Münzrecht oder waren Inhaber
anderer Bannrechte. Auch diese Rechtstitel konnten regional weit
verstreut sein und bildeten keinen einheitlichen Herrschaftsbezirk.
Vielmehr gab es lokal oder regional konkurrierende Gewalten, die
ebenfalls mit Grundherrschaft oder anderen Rechten ausgestattet
waren. Diese Konkurrenz musste ausgeschaltet werden, wenn ein
Mächtiger seine Grundherrschaft und seine diversen Rechtstitel
zu einer einheitlichen Landesherrschaft ausbauen wollte, wie es
viele geistliche und weltliche Große im hohen Mittelalter anstreb-
ten. Dieser Prozess war oft mit militärischen Konfrontationen ver-
bunden, und in der Regel sicherten die neuen „Landesherren"
ihre Herrschaft durch den Bau von eigenen und die Zerstörung
gegnerischer Burgen und versuchten ihre territorial gefestigte Herr-
schaft gegenüber den benachbarten Landesherren geographisch
eindeutig abzugrenzen. Zur Sicherung ihrer Position setzten sie
dann „Beamte" ein, die ihre Rechte vor Ort - auch militärisch -
vertreten und das neue Territorium nicht als Lehnsmannen im
Erbgang innerhalb einer Familie langsam entfremden konnten.
Diese Funktion nahm schließlich der Drost wahr.
Die Anfänge des emsländischen Drostenamtes
Am 18. Juni 1252 erwarb Bischof Otto II. von Münster Besitzungen
und Rechte im Bereich des heutigen Emslandes von der Gräfin
Jutta von Ravensberg.' Dessen Kaufinteresse begründet Wolfgang
Bockhorst folgendermaßen:
1. Das Bistum Münster erstreckte sich schon vorher nicht nur
über das nördliche Westfalen, sondern auch über Teile Fries-
lands; die beiden Bistumsteile sollten durch den Ausbau der
bestehenden Basis im Emsland - die Amtsvorgänger Ottos
hatten sich schon einige Besitzungen und Rechte im Emsland
gesichert - verbunden werden;
2. Es bestanden finanzielle Interessen der Bischöfe, durch den
Ausbau ihrer Machtbasis an der mittleren Ems den anschei-
nend damals lebhaften Flusshandel zu kontrollieren;
3. Mit dem Kauf erwarben die Bischöfe auch Rechte der
Ravensbergischen Grafen in Friesland, die ihren Einfluss
dort vermehrten.2
Allerdings lässt sich die durch den Kauf von 1252 erfolgte
Stärkung der Münsteraner Rechte im Bereich des heutigen Ems-
lands noch nicht als Landesherrschaft bezeichnen, da es damals
dort noch andere konkurrierende politische Gewalten gab und
die Grenzen dieses weit von Münster entfernt liegenden Herr-
schaftsbereiches nicht fest umrissen waren. Es sollte noch mehr
als ein Jahrhundert vergehen, bis es den Münsteraner Bischöfen
gelang, die konkurrierenden Gewalten, vor allem die Grafen von
Tecklenburg, auszuschalten und eine unangefochtene Landesherr-
schaft über das Emsland aufzubauen.
Im Emsland war der Drost Vertreter des Bischofs. Ein Drost
erscheint erstmals 1240 als Zeuge in einer auf Latein verfassten
bischöflichen Urkunde:3 „Lambert dapifer noster de Landecge"
(Lambert unser Truchseß/Drost zu Landegge). Zweierlei ist an
dieser Bezeichnung auffällig: Zum einen zeigt sie, dass sich der
Begriff „Drost" von der Bezeichnung „Truchseß" herleitet. Der

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