Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Segers-Glocke, Christiane [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Haus Altenkamp - ein Herrensitz im Emsland: Denkmalpflege und Kulturgeschichte — Hameln: Niemeyer, Heft 18.2000

DOI Heft:
Gutsbetrieb und Principalgarten
DOI Artikel:
Guhe, Franz: Die dienstbaren Geister
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51269#0047
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Leben auf Gut Altenkamp - Ein Blick ins 18. Jahrhundert

Die dienstbaren Geister
Franz Guhe

Geschichtsquellen berichten, soweit sie von Personen handeln, in
der Regel von den Herrschenden oder den Mitgliedern der gesell-
schaftlichen Oberschichten. Sie erscheinen als die Handelnden, alle
Vorgänge und Ereignisse werden ihnen zugeordnet und zugeschrie-
ben. Dieser Sachverhalt hat schon Bertold Brecht in einem seiner
Gedichte1 zu fragen veranlasst: „Der junge Alexander eroberte In-
dien. Er allein? Caesar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens
einen Koch bei sich?" Ähnlich ist es bei den Quellen über Gut Al-
tenkamp. Der Freiherr und manchmal noch seine Familie stehen
im Mittelpunkt aller Berichte. Ihm untergeordnet ist dann noch
gelegentlich vom Rentmeister zu hören, doch auf die übrigen im
Hause und für die gräfliche Familie Tätigen, die dienstbaren Gei-
ster, finden sich nur verstreute Hinweise. Einiges wenige lässt sich
aus den regelmäßigen Berichten des Rentmeisters an seinen Herrn
und aus den Jahresabrechnungen2 entnehmen, doch bleibt die
Darstellung auf Grund der Quellenlage lückenhaft.
Versucht man, festzustellen, wer in den 80er Jahren des 18.
Jahrhunderts in Haus Altenkamp lebte und arbeitete, zeigt sich
überraschenderweise, dass nur zwei Bedienstete, die Haushälterin
und der Gärtner, fest angestellt waren und sich ständig auf dem
Gut aufhielten. Für die in der Landwirtschaft benötigten Arbeits-
kräfte hatte nämlich der Pächter zu sorgen, denn die meisten Län-
dereien waren seit 1780 für jährlich 120 Gulden an Joan Ottens
verpachtet, nachdem der vorherige Pächter Edelkamp aus Alters-
gründen seinen Vertrag nicht mehr verlängert hatte. Ottens sei-
nerseits verkaufte Stroh, Heu und Korn an den Rentmeister, so-
weit es während der sommerlichen Besuche des Freiherrn benö-
tigt wurde.
Haushälterin war seit dem 10. Juni 1780 Sybilla Webers, die
Tochter eines Reiters, der zur Garnison Clemenswerth gehörte,
aber in Aschendorf im Quartier lag. Als der bisherigen Haushäl-
terin gekündigt worden war, wurde sie dem Rentmeister als
„recht fromme, brave und gottesfürchtige Person" empfohlen
und versprach ihm auch „treu, redlich und aufrichtig zu dienen".
Der Vater unterstützte die Bewerbung seiner Tochter sehr und
verpflichtete sich, solange er in Aschendorf sei, unentgeltlich die
Nachtwache im Altenkamper Busch zu übernehmen. Als Jahres-
gehalt sollte Sybilla Webers 75 Gulden und 18 Stüber3 erhalten.
Bis 1782 lebte sie mit ihren Eltern auf Altenkamp. Das Verhältnis
zwischen Tochter und Eltern scheint allerdings nicht das beste
gewesen zu sein, denn als diese fortzogen, schrieb der Rent-
meister Breymann dem Freiherrn recht unverblümt: „Die Alten-
kamper Haushälterin ist sehr wohl damit zufrieden, dass sie ihre
Eltern von der Hand und vom Halse hat, dieses hat sie mir heute
Selbsten gesagt."
Wenn die gräfliche Familie zu ihrem Sommeraufenthalt an-
reiste, brachte sie etliche Bediente mit. Genannt werden 1785
der Kammerdiener Adam, der Kutscher und die drei Jäger Anton,
Gerd und Steiger. Die Haushälterin erhielt deshalb einen Zuschuss
für die „Verzehrungs-Kosten der Bedienten und Pferde", und
zwar 2 Gulden und 11 Stüber. Zum Vergleich sei erwähnt, dass
bei einer viertägigen Reise der gräflichen Familie nach Groningen,
Delfzijl und Emden im gleichen Sommer „Verzehrungs-Kosten"
von 138 Gulden anfielen. Der Kammerdiener hatte nicht nur
seinen Herrn zu versorgen, er musste ihn auch in Aschendorf
oder Papenburg als „commutirter Gevatter" (stellvertretender
Taufpate) vertreten, wenn der Freiherr einer Familie die Gunst
erwies, die Patenschaft für ein Kind zu übernehmen. Für diese
Bediensteten gab es eine „Domestiquen-Kammer" im Souterrain

des Haupthauses rechts neben der Küche,4 wo sie sich aufhalten
konnten und ihre Mahlzeiten zu sich nahmen.
Weitaus besser als die Haushälterin wurde der Gärtner ent-
lohnt. Er erhielt pro Jahr 50 Reichstaler Gehalt und 40 Reichstaler
Kostgeld, umgerechnet insgesamt 185 Gulden.5 Zudem beschäf-
tigte er noch einen „Gärtnerburschen", einen Lehrling also, der
seinem Lehrmeister ein zu vereinbarendes Lehrgeld zu zahlen
hatte und für dessen Verpflegung dieser 50 Gulden aus der herr-
schaftlichen Kasse erhielt. Der „Gärtnerbursche" erhielt keinen
Lohn, konnte aber wenigstens zu einem Taschengeld kommen,
wenn er Maulwürfe fing. Ein Maulwurf brachte ihm 6 Deut
(Pfennige), und so erhielt er 1785 für 90 gefangene Maulwürfe
3 Gulden. Der Gärtner Jan Berndt Hellman, der seit 1742 den
Garten versorgt hatte, erkrankte im Sommer 1783 so schwer,
dass er seine Tätigkeit nicht mehr ausüben konnte. Zum Glück
hatte er einen tüchtigen „Gärtnerburschen", der die erforderlichen
Gartenarbeiten nach den Anweisungen des kranken Gärtners ver-
richtete. Doch der Rentmeister empfahl dem Freiherrn, sich recht-
zeitig nach einem neuen Gärtner umzusehen, denn ein tüchtiger
Gärtner sei nicht so leicht zu bekommen. Er erbot sich, mit Bern-
hard Berends Kontakt aufzunehmen, der aus dem Nachbarort
Brual stamme, zur Zeit jedoch auf einem adligen Gut bei Amster-
dam beschäftigt sei. Da in Holland eine vierteljährliche Kündigungs-
frist gelte, müsse man rasch und vorsorglich handeln. Johann
Bernhard Berends war von 1775 bis 1778 Lehrling des Gärtners
Hellmann auf Altenkamp gewesen,6 war also mit dem Garten gut
vertraut. Nun wollte er gerne wieder ins Emsland zurückkehren,
und da der Freiherr einverstanden war, wurde Berends im Novem-
ber 1783 der neue Gärtner auf Altenkamp. Abgemacht wurde,
er solle auf dem Gut wohnen, um ständig verfügbar zu sein, und
zudem musste er versprechen, unverheiratet zu bleiben. Brey-
mann war mit seiner Wahl sehr zufrieden und schrieb dem Frei-
herrn am Ende des Jahres, der neue Gärtner arbeite gut und
„scheint seinem alten Meister nachfolgen zu wollen". Doch bald
haben wohl der junge Gärtner und die Haushälterin Sybilla Webers
besonderes Gefallen an einander gefunden, und nach einiger Zeit
war es unverkennbar, dass die Haushälterin ein Kind erwartete.
Am 3. August 1785 schrieb Breymann an seinen neuen Herrn,
Paul Joseph von Landsberg-Velen, der seinem verstorbenen Vater
in diesem Jahr im Amt gefolgt war: „Die Altenkamper Haushälte-
rin und der Altenkamper Gärtner haben sich bereits am verwiche-
nen Sonntag - vermutlich und dem Anschein nach aus dringen-
den Gründen - zum Ehestande verkündigen lassen und werden
in künftiger Woche sich miteinander verheiraten." Natürlich
musste nach den Vorstellungen der damaligen Zeit die schwan-
gere und nun verheiratete Haushälterin gehen. Noch im August
1785 wurde sie aus dem Dienst entlassen.
Der Rentmeister Franz Arnold Breymann stand bereits seit
1774 in den Diensten des Freiherrn, hatte aber bislang in Sögel
gewohnt. Dort hatte er 1777 die Witwe Anna Sybille Behnes, geb.
Beckering, geheiratet. Bei seinen gelegentlichen Aufenthalten auf
Altenkamp hatte er im Gartenhaus gewohnt, doch nun, nach der
Kündigung der Sybilla Webers, entschloss er sich, mit Zustimmung
des Freiherrn nach Altenkamp zu ziehen und das Amt der Haus-
hälterin von seiner Frau wahrnehmen zu lassen. Am 27. Oktober
1785 bezog er mit seiner Frau, seinen Kindern und zwei Dienst-
mägden eine Wohnung im Hauptgebäude des Gutes. Das bisheri-
ge Gehalt der Haushälterin fiel nun ihm als zusätzliche Einnahme
zu.7

45
 
Annotationen