Architektur und Ausstattung
Die historische und stilistische Einordnung der Malereien im Entree
des Herrenhauses
Anja Schmid-Engbrodt
Einleitung
Gut Altenkamp stellt mit seiner barocken Gartenanlage' für das
Emsland einen auffallend großen und repräsentativen Herrensitz
dar und gehört dort zu einer kleinen Gruppe genuiner Neuschöp-
fungen der Barockzeit. Das weitgehend im ursprünglichen Zu-
stand überlieferte Enträe des Herrenhauses vermag auch heute
noch das Standesbewusstsein eines Drosten im 18. Jahrhundert
in einer der abgelegensten Regionen des Fürstbistums Münster
anschaulich zu vermitteln.
Als Hermann Anton Bernhard von Velen (1698-1767) seinen
neuen Wohn- und Amtssitz 1728 bis ca. 1736 vermutlich von dem
Architekten Peter Pictorius d. J. (1673-1735) nach französischem
Idealgrundriss errichten ließ, war auch sein Kurfürst, der Wittels-
bacher Clemens August, mit umfangreichen Baumaßnahmen be-
schäftigt. Schloss Augustusburg in Brühl war 1728 durch Johann
Conrad Schlaun im Rohbau fertiggestellt, und bereits ein Jahr
später wurde auch der Grundstein für das unweit gelegene Jagd-
schloss Falkenlust gelegt. Es war eine Zeit regen herrschaftlichen
Baugeschehens. Andere vorbildliche Bauvorhaben waren der Um-
bau von Ahaus (1689-1695) und Schloss Nordkirchen (1703 —
1712). Hier hatte sich der Repräsentationswille des barocken
Fürsten nach französischem Vorbild für Nordwestdeutschland
in idealer Weise niedergeschlagen.
Die Raumstruktur
Der Besucher betritt das für Ausstellungen der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz genutzte Haus Altenkamp über den ebenerdigen, zen-
tralen Zugang zum Kellergeschoss. Der repräsentative Zugang er-
folgte für den Gast ehemals über die zweiarmige, geschwungene
Sandsteintreppe, die ihn durch eine zweiflügelige Tür in das Ent-
ree führte. Hier gewann der Besucher einen ersten Eindruck von
dem gesellschaftlichen Status des Hausherrn.
Der Besucher, der heute das Entree betritt, befindet sich in
einem 9,10 m breiten und 5,55 m tiefen Raum von ca. 4,30 m
Deckenhöhe. Eine Belichtung erfolgt durch zwei Fenster in der
Westfront. Der Raumeindruck ist trotz einer hellen Stuckdecke
eher dunkel, kompakt geschlossen. In einer zentralen Achse wur-
de, ebenfalls durch eine zweiflügelige Tür, der große Salon bzw.
Gartensaal betreten, der mit dem Entröe und weiterführend mit
der barocken Gartenanlage eine Einheit bildete.
Dies sollte ursprünglich vermutlich deutlicher erlebbar sein.
Zwei flache Nischen in der Wand zum Salon verweisen auf ehe-
mals durch die gesamte Haustiefe geplante Fensterachsen. Eine
dergestalt angelegte achsiale Transparenz wird in dieser Zeit
typisch für herrschaftliche Architektur. Ob diese Fensterachsen
ursprünglich bestanden haben, lässt sich ohne gezielte restau-
ratorische Befunduntersuchungen nicht sicher klären.2
Der Eingangsbereich von Haus Altenkamp zeigt heute die
Spuren von zwei umfassenden Ausstattungsphasen. Der Sockel-
bereich der Wände, die Türen und Fenster wurden im 19. Jahr-
hundert weitere Male neu gefasst.
Die erste Raumfassung
Eine Beurteilung der ersten - wohl in der Endphase der Erbauungs-
zeit um 1736 entstandenen - malerischen Wanddekoration ist nur
in einem beschränkten Rahmen möglich. Dieser wird gesteckt
durch Freilegungsproben,3 die im Zuge restauratorischer Vorunter-
suchungen gemacht wurden, und Fehlstellen, die sich aus der
Schadhaftigkeit der oberen Fassung von selbst ergaben. Die Beur-
teilung der Erstfassung wird zudem dadurch eingeschränkt, dass
sie auf der Westwand (Eingangswand) nur in geringen Fragmen-
ten erhalten geblieben ist.
Die Türschwelle überschreitend, wurde der Gast ehemals in
einer Art Panorama empfangen, das offenbar differenziert ausge-
bildet war. Der Sockel von ca. 91 cm Höhe war nach Befundlage
umlaufend mit einer mehrfarbigen Blumenmalerei gestaltet; zur
Decke schloss die Wand mit einem Fries aus Festons in Grisaille-
technik ab. Auf den Schmalwänden entfalteten sich vor dem
Auge des Betrachters barocke Kuppelarchitekturen und Gänge
mit ausgedehnten Treppenanlagen römischer Prägung der Bernini-
Borromini-Zeit en miniature. Die steinerne Szenerie, deren zentra-
le Kuppelbauten jeweils die Wandmitte einnehmen, wird im Vor-
dergrund, der an den unteren Bildrand verlegt ist, von zeitgenös-
sischen Figuren und Figurengruppen belebt. Diese Wandfassung
ist von auffallend graphischem Gepräge.
Die Gestaltung der an den Gartensaal grenzenden Ostwand
scheint von diesen Motiven abzuweichen. Große Bäume und land-
schaftlich-gärtnerische Motive, belebt von Tieren und kleineren
Architekturen (z.B. Brunnen), prägen hier die Malerei.4
Deutet man die Gestaltung der Ostwand des Enträes als Hin-
weis auf den Gartensaal, so ist die ursprüngliche Ausgestaltung
dieses repräsentativen Raumes von großem Interesse zur Entschlüs-
selung der Gesamtkonzeption von Haus und Gut Altenkamp. Die
restauratorischen Befunduntersuchungen im Gartensaal haben er-
geben, dass vermutlich Gobelins - Verduren, Wandteppiche mit
Landschaftsdarstellungen, die von zahlreichen Tieren, vor allem
Vögeln bevölkert waren - bis 1891 die Wände des Gartensaales
zierten und erst dann im so genannten Gobelinzimmer des Ober-
geschosses angebracht wurden.5 In einer Achse, die über das Ent-
ree und den Salon durch das Haus vom Eichenhain zum rückwär-
tig gelegenen Barockgarten führt, wurde somit die Eigenschaft
der Innenräume als Raumhüllen negiert. Die Ausblicke, die die
Wanddekorationen in beiden Räumen suggerierten, machten die-
se gleichsam zu Außenräumen.
Der Wunsch, durch illusionistische Wandöffnungen und
Trompe-I'oeil-Effekte das Auge zu täuschen und gleichzeitig in
Bann zu ziehen, ist elementarer Bestandteil der Epoche des Barock.
Hierin spiegelt sich in romantisierender Naturliebe die Vorstellung
von einem „arkadischen Hirtenglück" und die Idee der Welt als
Bühne. Gemeinsam war diesen höfischen Weltbild-Entwürfen,
dass sie keine realen Bezüge besaßen, vielmehr ideale Schein-
welten Wiedergaben. Die Vorliebe für derartige Panoramen fasste
auch in der bürgerlichen Lebenswelt Fuß. Vor allem Landschafts-
panoramen wurden in verschiedenen Techniken und Materialien
an die Wände der Wohnräume gebracht: als Papiertapete, als
Malerei auf Putz oder auf einer Holzverkleidung. Tapisserien waren
sehr kostbar und den Vermögenden vorbehalten.
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Die historische und stilistische Einordnung der Malereien im Entree
des Herrenhauses
Anja Schmid-Engbrodt
Einleitung
Gut Altenkamp stellt mit seiner barocken Gartenanlage' für das
Emsland einen auffallend großen und repräsentativen Herrensitz
dar und gehört dort zu einer kleinen Gruppe genuiner Neuschöp-
fungen der Barockzeit. Das weitgehend im ursprünglichen Zu-
stand überlieferte Enträe des Herrenhauses vermag auch heute
noch das Standesbewusstsein eines Drosten im 18. Jahrhundert
in einer der abgelegensten Regionen des Fürstbistums Münster
anschaulich zu vermitteln.
Als Hermann Anton Bernhard von Velen (1698-1767) seinen
neuen Wohn- und Amtssitz 1728 bis ca. 1736 vermutlich von dem
Architekten Peter Pictorius d. J. (1673-1735) nach französischem
Idealgrundriss errichten ließ, war auch sein Kurfürst, der Wittels-
bacher Clemens August, mit umfangreichen Baumaßnahmen be-
schäftigt. Schloss Augustusburg in Brühl war 1728 durch Johann
Conrad Schlaun im Rohbau fertiggestellt, und bereits ein Jahr
später wurde auch der Grundstein für das unweit gelegene Jagd-
schloss Falkenlust gelegt. Es war eine Zeit regen herrschaftlichen
Baugeschehens. Andere vorbildliche Bauvorhaben waren der Um-
bau von Ahaus (1689-1695) und Schloss Nordkirchen (1703 —
1712). Hier hatte sich der Repräsentationswille des barocken
Fürsten nach französischem Vorbild für Nordwestdeutschland
in idealer Weise niedergeschlagen.
Die Raumstruktur
Der Besucher betritt das für Ausstellungen der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz genutzte Haus Altenkamp über den ebenerdigen, zen-
tralen Zugang zum Kellergeschoss. Der repräsentative Zugang er-
folgte für den Gast ehemals über die zweiarmige, geschwungene
Sandsteintreppe, die ihn durch eine zweiflügelige Tür in das Ent-
ree führte. Hier gewann der Besucher einen ersten Eindruck von
dem gesellschaftlichen Status des Hausherrn.
Der Besucher, der heute das Entree betritt, befindet sich in
einem 9,10 m breiten und 5,55 m tiefen Raum von ca. 4,30 m
Deckenhöhe. Eine Belichtung erfolgt durch zwei Fenster in der
Westfront. Der Raumeindruck ist trotz einer hellen Stuckdecke
eher dunkel, kompakt geschlossen. In einer zentralen Achse wur-
de, ebenfalls durch eine zweiflügelige Tür, der große Salon bzw.
Gartensaal betreten, der mit dem Entröe und weiterführend mit
der barocken Gartenanlage eine Einheit bildete.
Dies sollte ursprünglich vermutlich deutlicher erlebbar sein.
Zwei flache Nischen in der Wand zum Salon verweisen auf ehe-
mals durch die gesamte Haustiefe geplante Fensterachsen. Eine
dergestalt angelegte achsiale Transparenz wird in dieser Zeit
typisch für herrschaftliche Architektur. Ob diese Fensterachsen
ursprünglich bestanden haben, lässt sich ohne gezielte restau-
ratorische Befunduntersuchungen nicht sicher klären.2
Der Eingangsbereich von Haus Altenkamp zeigt heute die
Spuren von zwei umfassenden Ausstattungsphasen. Der Sockel-
bereich der Wände, die Türen und Fenster wurden im 19. Jahr-
hundert weitere Male neu gefasst.
Die erste Raumfassung
Eine Beurteilung der ersten - wohl in der Endphase der Erbauungs-
zeit um 1736 entstandenen - malerischen Wanddekoration ist nur
in einem beschränkten Rahmen möglich. Dieser wird gesteckt
durch Freilegungsproben,3 die im Zuge restauratorischer Vorunter-
suchungen gemacht wurden, und Fehlstellen, die sich aus der
Schadhaftigkeit der oberen Fassung von selbst ergaben. Die Beur-
teilung der Erstfassung wird zudem dadurch eingeschränkt, dass
sie auf der Westwand (Eingangswand) nur in geringen Fragmen-
ten erhalten geblieben ist.
Die Türschwelle überschreitend, wurde der Gast ehemals in
einer Art Panorama empfangen, das offenbar differenziert ausge-
bildet war. Der Sockel von ca. 91 cm Höhe war nach Befundlage
umlaufend mit einer mehrfarbigen Blumenmalerei gestaltet; zur
Decke schloss die Wand mit einem Fries aus Festons in Grisaille-
technik ab. Auf den Schmalwänden entfalteten sich vor dem
Auge des Betrachters barocke Kuppelarchitekturen und Gänge
mit ausgedehnten Treppenanlagen römischer Prägung der Bernini-
Borromini-Zeit en miniature. Die steinerne Szenerie, deren zentra-
le Kuppelbauten jeweils die Wandmitte einnehmen, wird im Vor-
dergrund, der an den unteren Bildrand verlegt ist, von zeitgenös-
sischen Figuren und Figurengruppen belebt. Diese Wandfassung
ist von auffallend graphischem Gepräge.
Die Gestaltung der an den Gartensaal grenzenden Ostwand
scheint von diesen Motiven abzuweichen. Große Bäume und land-
schaftlich-gärtnerische Motive, belebt von Tieren und kleineren
Architekturen (z.B. Brunnen), prägen hier die Malerei.4
Deutet man die Gestaltung der Ostwand des Enträes als Hin-
weis auf den Gartensaal, so ist die ursprüngliche Ausgestaltung
dieses repräsentativen Raumes von großem Interesse zur Entschlüs-
selung der Gesamtkonzeption von Haus und Gut Altenkamp. Die
restauratorischen Befunduntersuchungen im Gartensaal haben er-
geben, dass vermutlich Gobelins - Verduren, Wandteppiche mit
Landschaftsdarstellungen, die von zahlreichen Tieren, vor allem
Vögeln bevölkert waren - bis 1891 die Wände des Gartensaales
zierten und erst dann im so genannten Gobelinzimmer des Ober-
geschosses angebracht wurden.5 In einer Achse, die über das Ent-
ree und den Salon durch das Haus vom Eichenhain zum rückwär-
tig gelegenen Barockgarten führt, wurde somit die Eigenschaft
der Innenräume als Raumhüllen negiert. Die Ausblicke, die die
Wanddekorationen in beiden Räumen suggerierten, machten die-
se gleichsam zu Außenräumen.
Der Wunsch, durch illusionistische Wandöffnungen und
Trompe-I'oeil-Effekte das Auge zu täuschen und gleichzeitig in
Bann zu ziehen, ist elementarer Bestandteil der Epoche des Barock.
Hierin spiegelt sich in romantisierender Naturliebe die Vorstellung
von einem „arkadischen Hirtenglück" und die Idee der Welt als
Bühne. Gemeinsam war diesen höfischen Weltbild-Entwürfen,
dass sie keine realen Bezüge besaßen, vielmehr ideale Schein-
welten Wiedergaben. Die Vorliebe für derartige Panoramen fasste
auch in der bürgerlichen Lebenswelt Fuß. Vor allem Landschafts-
panoramen wurden in verschiedenen Techniken und Materialien
an die Wände der Wohnräume gebracht: als Papiertapete, als
Malerei auf Putz oder auf einer Holzverkleidung. Tapisserien waren
sehr kostbar und den Vermögenden vorbehalten.
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