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Segers-Glocke, Christiane [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Haus Altenkamp - ein Herrensitz im Emsland: Denkmalpflege und Kulturgeschichte — Hameln: Niemeyer, Heft 18.2000

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Architektur und Ausstattung
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Arnemann, Ute: Der Bauherr, der Architekt, die Baumeister und die Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.51269#0027
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Architektur und Ausstattung

Der Bauherr, der Architekt, die Baumeister und die Architektur

Ute Arnemann

Die Wahl des Bauortes
Durch die Funktion als Gerichtsort nahm Aschendorf im 18. Jahr-
hundert gegenüber den Nachbarorten eine Vorrangstellung ein.
Untergerichte existierten in Meppen, Haselünne, Haren, Lathen
und Sögel. Zusammen bildeten sie das Amt Meppen, das vom
adligen Drosten als oberster Repäsentant des Bischofs von Müns-
ter verwaltet wurde.
Da das Absteigequartier in Papenburg 1716 durch Alexander
von Velen verkauft worden war, der Amtssitz Nienhaus in Aschen-
dorf sich in einem schlechten Bauzustand befand sowie angesichts
der Streitigkeiten mit den Papenburger Siedlern von 1727, hatte
Hermann Anton Bernhard von Velen allen Grund, seinen Amtssitz
nicht im Zentrum von Papenburg errichten zu lassen, sondern auf
dem Besitz des Altenkamp. Damit war er in der Lage, die Gescheh-
nisse in seinem Wirtschaftsunternehmen, der Fehnkolonie Papen-
burg, selbst vor Ort bestimmen und kontrollieren zu können, denn
Altenkamp lag nur rund 6 km von Papenburg entfernt. Das An-
wesen war zu dieser Zeit kein eigentliches Gut mit entsprechen-
dem Landbesitz, sondern lediglich ein bescheidener Alterssitz -
daher auch möglicherweise die Ableitung des Namens. Hermann
Anton Bernhard von Velen kannte in Münster die repräsentativen
Palais seiner Standesgenossen sowie die ländlichen Herrensitze
und dürfte schon bald den Entschluss gefasst haben, anstelle des
alten Hauses eine den gesteigerten Ansprüchen eines kurfürstlichen
Drosten angemessene „Residenz" erschaffen zu lassen. Wann mit
der Planung des Bauvorhabens begonnen wurde und wieviel Vor-
bereitungszeit dafür erforderlich war, ist unbekannt.
Wie finanzierte Hermann Anton Bernhard von Velen
sein Bauvorhaben?
Den erhaltenen Steuerlisten des Niederstifts Münster ist zu ent-
nehmen, dass auf Anforderung des Drosten wöchentliche Spann-
dienste geleistet werden mussten. Dazu gehörten Wagen-, Spann-,
Hand- und Botendienste neben dem sogenannten „Langendienst"
- der lange Briefdienst über die Landesgrenzen hinaus. Außerdem
mussten jährlich zwei Fuder Torf sowie Heu frei Haus geliefert wer-
den. Das Mitwirken an herrschaftlichen Jagden, die Teilnahme am
militärischen Aufgebot des Landesherrn (jährlich sechs Mal), Wach-
dienste, die Landfolgepflicht, Geldzahlungen sowie die Erhaltung
und Wiederherstellung der Deiche gehörten ebenso dazu. Oft be-
stand für so umfangreiche Dienste kein Bedarf. Dann wurde vom
Grundherrn versucht, anstelle der Dienstpflicht einen Geldbetrag,
das „Dienstgeld", einzutreiben, über dessen Höhe verhandelt
wurde.
Wesentliche Einnahmequelle des Landesherrn war die fest-
stehende monatliche Kirchspielschatzung. Zum Beispiel wurden
im Jahr 1736 1998 Reichstaler und 13 Schillinge monatliche
Schatzung eingenommen, von denen 355 Reichstaler auf das
Gericht und 201 Reichstaler auf das Kirchenspiel Aschendorf
entfielen. Als Vergleich: Meppen nahm nur 93 Reichstaler ein.
Register des Münsterischen Gerichts Aschendorf (Kirchspiele
Aschendorf, Rhede, Heede) über Haushalte und Einwohner ver-
zeichnen für diese Zeit: 74 Männer der begüterten bäuerlichen
Schicht, 6 Erbkötter sowie 54 Brinksitzer, Leibzüchter und Heuer-
leute. Genaue Zahlen über Handel und Handwerk sind erst ab
ca. 1850 für Aschendorf überliefert.

Das Verhältnis des Bauherrn zu seinem Landesherrn
und zu seinem Architekten
Als Hermann Anton Bernhard von Velen 1714-1718 in Rom stu-
dierte, hatte er hier bereits Kontakt mit seinem späteren Dienst-
herrn Prinz Clemens August aus dem Hause Wittelsbach, der dort
1717 ein geistliches Studium absolvierte. 1718 wurde Hermann
Anton Bernhard Domherr zu Münster - auch hier in Verbindung
mit Fürstbischof Clemens August. Nach der Übernahme des
Drostenamtes im Emsland war der Fürstbischof dort ebenfalls
sein geistlicher und weltlicher Vorgesetzter. Nur 30 km vom Her-
rensitz Altenkamp entfernt erbaute Clemens August 1736-1746
das Jagdschloss Clemenswerth in Sögel.
Es wird vermutet, dass Peter Pictorius d.J. Architekt des Her-
rensitzes war. Dessen Vater Peter Pictorius d.Ä. war Baumeister
des Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen. 1720 erhielt
Peter Pictorius die geistlichen Weihen, nachdem er in Italien unter
anderem Florenz, Rom, Neapel und Sizilien bereist hatte. Nach
seiner Rückkehr wurde er Vikar am Dom zu Münster und war
dort weiterhin zusammen mit seinem Bruder Gottfried Laurenz,
dem Baumeister des Fürstbischofs, als Architekt tätig.
Möglicherweise kannten sich der Bauherr von Haus Alten-
kamp, der wahrscheinliche Architekt Peter Pictorius d.J. sowie
Fürstbischof Clemens August bereits in jungen Jahren und pfleg-
ten private Kontakte.
Der Architekt
Bauakten des 18. Jahrhunderts enthalten in der Regel zwar Ab-
rechnungen mit den Baumeistern und Handwerkern, selten je-
doch Angaben zum Architekten. Gestalterische Fragen wurden
nicht aktenkundig; sie wurden auf privater Ebene geklärt. Weiter-
führende Aufschlüsse für Haus Altenkamp ermöglicht vor allem
eine erhaltengebliebene Vorentwurfszeichnung, die Gottfried
Laurenz Pictorius (1660-1728) zugeschrieben wird. In seiner all-
gemeinen Charakteristik entspricht das Hauptgebäude den klas-
sisch-schlichten Formen holländischer Bauten, wie sie von Gott-
fried Laurenz Pictorius zahlreich bekannt sind: zweigeschossige
Backsteinbauten über einem Kellergeschoss, die Seitenflügel
durch Kanten aus Sandstein-Quader hervorgehoben. Mit dem
Bau am Altenkamp wurde 1728 begonnen; dies würde bedeuten,
dass Gottfried Laurenz Pictorius den Entwurf im hohen Alter oder
kurz vor seinem Tod 1728 angefertigt hat. So ist zu vermuten,
dass nicht Gottfried Laurenz Pictorius, sondern sein jüngerer Bru-
der Peter Pictorius d.J. Architekt des Herrensitzes Altenkamp ist.
Der Vorentwurf für die Hoffront ist im Landsberg-Velener Archiv
erhalten geblieben; wahrscheinlich stammt er aus dem Jahr 1727.
Allerdings weicht er neben den allgemeinen Dimensionen auch in
wesentlichen Teilen vom ausgeführten Bau ab. Die durch Blenden
gegliederten und mit Kugeln verzierten Kaminaufsätze sind zeit-
typische Schmuckmotive. Ebenso die dargestellten Dachgauben,
sie entfielen vollständig. Die größte Abweichung vom bestehenden
Gebäude - und für diese Zeit unüblich - ist das in voller Höhe als
Sockelbereich dargestellte Kellergeschoss. Es folgen zwei Fenster-
reihen und Arkadenbögen mit Stilelementen italienischer Villenar-
chitektur. Ein entsprechender Sandsteinsockel findet sich auch am
repräsentativ gestalteten Palais Danckelmann in Lingen als Aus-
gangspunkt herrschaftlichen hochbarocken Bauens im Emsland.

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