DAS REICH DES PALLAS
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Heroen, denen Pisistratos seine Herrschaft verdankte. Die athe-
nische Bürgerschaft der kleisthenischen Zeit hatte an ihnen we-
nig Interesse; ihre Namen fehlen in der Reihe der Phylen-
heroen, unter welchen Aigeus, der Vater des panattischen
Theseus erscheint. Ich schliesse daher, dass am pisistrati-
schen Hofe die Sage von den vier Pandionsöhnen geschaffen
worden ist.
Es ist eine sehr merkwürdige Thatsache, dass in dieser
Fassung des attischen Synoikismos der Ahnen des eleusini-
schen Eumolpidengeschlechtes so gar keine Erwähnung ge-
schieht. Vielmehr macht sich in ihr ein anderes erlauchtes
Priestergeschlecht geltend: Lykos, der Ahnherr der Lykomi-
den von Phlya, erbt die Diakria. Gleich Pallas und Nisos kein
Mann , der eine Dynastie gegründet hat, sondern wie jene
ein König, den die Sage nur ein Interregnum führen lässt,
bis Aigeus mit der Hülfe des Theseus das attische Reich wie-
derum vereinigt, gegenüber dem wilden Pallas ein χρησρ,ολό-
γος άνήρ, welcher nach der Vertreibung aus seiner Herrschaft
die Weihen der grossen Götter nach Messenien bringt, ein
Mann aus dem Geschlechte, welches zu seinen Feiern die
Hymnen des Orpheus, Pamphos und Musaios sang1. Nach
obigem Schlüsse wäre anzunehmen, dass die Lykomiden in
pisistratischer Zeit eine besondere Rolle gespielt haben. Das
stimmt vortrefflich zu Pisistratos’ Verehrung der Orphiker,
von denen ja Onomakritos die Hymnen des Musaios behan-
delt hatte. Nicht unmöglich, dass der Athener Onomakritos
selbst ein Lykomide war, so gut wie sein Zeitgenosse Metha-
pos, der Stifter des höotischen Kabirenkultes. Doch wir
brauchen uns nicht auf diese Combinationen zu verlassen.
Theopomp berichtete, dass Pisistratos das Lykeion gestiftet
habe2, unten am Ilissos, wo er auch die Heiligtümer des Zeus
Olympios und des pythischen Apollo eingerichtet hat, und
1 Vgl. für die Lykomiden und das Folgende Töpffer, Attische Genealogie
S. 208 ff. O. Kern, Hermes XXV S. 11 f.
2 Harpokration Λύκειον.
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Heroen, denen Pisistratos seine Herrschaft verdankte. Die athe-
nische Bürgerschaft der kleisthenischen Zeit hatte an ihnen we-
nig Interesse; ihre Namen fehlen in der Reihe der Phylen-
heroen, unter welchen Aigeus, der Vater des panattischen
Theseus erscheint. Ich schliesse daher, dass am pisistrati-
schen Hofe die Sage von den vier Pandionsöhnen geschaffen
worden ist.
Es ist eine sehr merkwürdige Thatsache, dass in dieser
Fassung des attischen Synoikismos der Ahnen des eleusini-
schen Eumolpidengeschlechtes so gar keine Erwähnung ge-
schieht. Vielmehr macht sich in ihr ein anderes erlauchtes
Priestergeschlecht geltend: Lykos, der Ahnherr der Lykomi-
den von Phlya, erbt die Diakria. Gleich Pallas und Nisos kein
Mann , der eine Dynastie gegründet hat, sondern wie jene
ein König, den die Sage nur ein Interregnum führen lässt,
bis Aigeus mit der Hülfe des Theseus das attische Reich wie-
derum vereinigt, gegenüber dem wilden Pallas ein χρησρ,ολό-
γος άνήρ, welcher nach der Vertreibung aus seiner Herrschaft
die Weihen der grossen Götter nach Messenien bringt, ein
Mann aus dem Geschlechte, welches zu seinen Feiern die
Hymnen des Orpheus, Pamphos und Musaios sang1. Nach
obigem Schlüsse wäre anzunehmen, dass die Lykomiden in
pisistratischer Zeit eine besondere Rolle gespielt haben. Das
stimmt vortrefflich zu Pisistratos’ Verehrung der Orphiker,
von denen ja Onomakritos die Hymnen des Musaios behan-
delt hatte. Nicht unmöglich, dass der Athener Onomakritos
selbst ein Lykomide war, so gut wie sein Zeitgenosse Metha-
pos, der Stifter des höotischen Kabirenkultes. Doch wir
brauchen uns nicht auf diese Combinationen zu verlassen.
Theopomp berichtete, dass Pisistratos das Lykeion gestiftet
habe2, unten am Ilissos, wo er auch die Heiligtümer des Zeus
Olympios und des pythischen Apollo eingerichtet hat, und
1 Vgl. für die Lykomiden und das Folgende Töpffer, Attische Genealogie
S. 208 ff. O. Kern, Hermes XXV S. 11 f.
2 Harpokration Λύκειον.