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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 16.1891

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Heft 4
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Toepffer, Johannes: Koisches Sakralgesetz
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https://doi.org/10.11588/diglit.37656#0432

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412

KOISCHES SAKRALGESETZ

Für die Kenntniss und Beurteilung des Sakralwesens der
Koer ist die Thatsache von Bedeutung;, dass die Insel ehemals
gleichwie das gegenüberliegende Festland von einer karischen
Völkerschaft bewohnt war. die sich erst im Laufe der Jahr-
hunderte sehr allmählich mit der griechischen Colonialbe-
völkerung ausgeglichen und verschmolzen hat. ohne jemals
ganz in derselben aufzugehen. Es sind vor allem die Gebiete
des aui altem unveränderlichem Herkommen gegründeten Fa-
milienrechtes und Familienkultes, in denen uns noch zu einer
späten Zeit die Spuren eines fremdartigen nichthellenischen
Volkstums entgegentreten, das in den benachbarten Küsten-
landschaften seine unverkennbaren Analogien findet, ln die-
sen Zusammenhang gehört das auf Kos entdeckte merkwürdige
Namenverzeichniss einer längern Reihe von Personen, die auf
Grund ihrer in weiblicher Linie gerechneten Abstammung an
einem bestimmten Cultus Anteil erhalten und deren Vorfah-
ren in weiblicher Linie bis zur dritten oder vierten Stelle an-
gegeben werden, während ihre Ahnenreihe in männlicher Li-
nie nie über den Vater hinausgeführt wird L Es kann keinem
Zweifel unterliegen, dass diese dem griechischen Gebrauch
und Herkommen durchaus widersprechende Rechtssitte auf
die ehemalige karische Bevölkerung der Insel zurückgeht und
dass dieselbe mit den bei verschiedenen Schriftstellern erhal-
tenen Berichten über die ältesten Culturverhältnisse und
Rechtszustände der Bewohner der kleinasiatischen Südwest-
küste in Verbindung gebracht werden müssen. Dasselbe gilt
von den sakralen Bestimmungen, die uns auf dem neugefun-
denen Stein entgegentreten.
Der erhaltene Teil der Urkunde beginnt mit der Aufzählung
einer längeren Reihe von Personen, die zu bestimmten Opfer-
leistungen und Cultushandlungen verpflichtet werden. Wel-
cher Umstand die Fixirung dieses, wie es scheint, nur für
besondere Classen der Bevölkerung bindenden Sakralgesetzes
veranlasst hat, wissen wir nicht, da der Anfang der Inschrift,

1 Vgl. meine Att. Geneal. 192 ff.
 
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