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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 36.1911

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Sauer, Bruno: Sonnenlichtprojectionen: ein experimenteller Beitrag zur Standspurenkritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.37288#0365

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SONNBNLICHTPROJECTIONEN

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siven Besonnung, und wer auch ohne solche den immerhin
ungewohnten Naturvorgang genau zu verstehen behauptete,
lief Gefahr als Phantast zu gelten. Jetzt kann ich etwas
Ähnliches in objectivem Bilde vorführen.
Die Gipssammlung des Kieler archaeologischen Instituts
befand sich von 1887 bis 1909 in einer grossen Halle, die
Milchhoefer bei Neuordnung der Abgüsse im Winter 1 895/96
völlig neu herrichten liess; seitdem blieben die meisten
Stücke fest auf ihrem Platze. Das durch vier hochgelegene
Fenster der Südostwand einfallende Licht traf am stetigsten
die Figuren an der gegenüberliegenden Nordwestwand; war
es auch nicht concentriert, sondern auf eine längere Strecke
verteilt, die Gipse also nicht nur in einer einzigen bestimmten
Richtung bestrahlt, sondern je nach dem Stande der Sonne
vom Licht umspielt, so war doch die Verschiebung der Licht-
quelle so gering, dass in der Hauptsache immer dieselben
Wandflächen durch die Figuren gegen Belichtung gedeckt
waren. Das trat frappant und belustigend in die Erscheinung,
als die Halle geräumt war. Auf dem abgeblichenen pompeja-
nischen Rot der Wand standen in dem ursprünglichen Far-
benton die Abbilder der Figuren aufgereiht, ganz dunkel in
ihrem Kern, der 13 ^ Jahre nie von directen Strahlen getrof-
fen worden war, halbdunkel an den Rändern, manchmal von
einer noch helleren Zone umzogen. Trotz der unvermeidlichen
Entstellungen waren diese Abbilder so genau kenntlich, dass
auch Laien die Originale erraten konnten; ich selbst, der ich
die provisorische Kunsthalle vorher wenig betreten und die
Aufstellung der Figuren im einzelnen nicht im Kopf hatte^
konnte nachträglich jede einzelne aus ihrer Projection mit
völliger Sicherheit ablesen. Dasselbe wird den Lesern mühe-
los an den drei in unserer Abbildung vereinigten Proben
gelingen, und ich will nicht so unhöflich sein, durch Nennung
der Originale ihnen den Spass zu verderben.
Was lernen wir aus diesem Experiment für die Deutung
individuell begrenzter Flächen von Marmorpatina? Was hier
im tiefsten Schatten liegt, behält dort das ursprüngliche Weiss
des Marmors; was hier verschossen ist, weist dort, soweit
nicht die Verwitterung das vereitelt hat, den goldbraunen
 
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