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ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 12
Hauptstadt gelegen und von
ihrer Entwicklung wenig be-
rührt, kaum von andern mär-
kischen Dörfern.
Trotzdem gehört Rixdorf
zu den ersten deutschen Nie-
derlassungen der Gegend; es
ist, wie Tempelhof, eine Grün-
dung derTempelherren. Deren
Nachfolger im Besitz, die Jo-
hanniter, wandelten 1360 den
Hof in ein Dorf mit 25 Hufen
(Richardsdorf) um. Von diesen
kam das Dorf als Lehen an
Berlin-Cölln, 1543 in den all-
einigen Besitz von Cölln. Im
Jahre 1737 siedelte Friedrich
Wilhelm I. auf dem vom Fis-
kus angekauften Schulzengute
die ersten böhmischen Kolo-
nisten an. Damit erfolgte eine
Trennung in zwei Gemeinden,
die bis 1874 als Deutsch- und
Böhmisch-Rixdorf mit eigenen
Kirchen und unter eigenen
Schulzen nebeneinander be-
standen haben. Im Jahre 1861
zählte Deutsch-Rixdorf 2823,
Böhmisch-Rixdorf 1014 Ein-
wohner. Fortgesetzte Steuer-
und Verwaltungsstreitigkeiten
zwischen den beiden Gemein-
den führten 1873 zu deren
Vereinigung zu einer Landge-
meinde*), die 1875 13375 Ein-
wohner zählte. Ein stündlich
Das neue Rathaus in Rixdorf.
Giebel an der Schönstedtstraße.
verkehrender Omnibus vermittelte damals allein den Verkehr
mit Berlin. Aber bald setzte ein ganz außergewöhnliches
Wachstum ein, zielbewußt gefördert und in gedeihliche Bahnen
geleitet durch die unermüdliche Tatkraft und den Weitblick des
ersten Ortsvorstehers Boddin, des jetzigen Oberbürgermeisters
der jungen Großstadt. Die Verleihung der Stadtrechte erfolgte
1899. Die Zahl der Einwohner stieg bis 1895 auf 60000, 1900
auf 90000, 1905 auf 153513; damit hat Rixdorf mit 69 v. H.
die stärkste Zunahme unter den deutschen Städten zu ver-
Rixdorf ist in den letzten Jahrzehnten durch eine an
amerikanische Verhältnisse erinnernde Entwicklung einer
-der umfangreichsten Bestandteile Großberlins geworden.
Seine kommunale Geschichte reicht kaum 40 Jahre zurück; vor-
dem unterschied sich der Ort, weitab von den Toren der
*) Vergl. »Rixdorf in alter und neuer Zeit«, Festschrift zur Einweihung
des neuen Rathauses. 1908. Herausgegeben vom Magistrat.
zeichnen gehabt, während die Bevölkerung Berlins im gleichen
Jahrfünft nur um 8 v. H., die von Charlottenburg um 27 v. H.
wuchs. Heute hat Rixdorf bereits über 217000 Einwohner;
bald wird es zu den größten deutschen Städten gehören.
Für eine so rasch emporwachsende Stadt müssen natur-
gemäß alle die gemeinnützigen Anlagen, öffentlichen Bauten,
Schulen u. s. w. in raschester Folge, fast gleichzeitig, geschaffen
werden, deren Planung und Ausführung sich bei ruhigerer
Entwicklung auf Jahrzehnte, ja auf Jahrhunderte verteilt. So
hat Rixdorf in den letzten Jahren einen Hochbauetat, der an
Das neue Rathaus in Rixdorf. Architekt: Stadtbaurat Reinhold Kiehl
in Rixdorf.
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ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 12
Hauptstadt gelegen und von
ihrer Entwicklung wenig be-
rührt, kaum von andern mär-
kischen Dörfern.
Trotzdem gehört Rixdorf
zu den ersten deutschen Nie-
derlassungen der Gegend; es
ist, wie Tempelhof, eine Grün-
dung derTempelherren. Deren
Nachfolger im Besitz, die Jo-
hanniter, wandelten 1360 den
Hof in ein Dorf mit 25 Hufen
(Richardsdorf) um. Von diesen
kam das Dorf als Lehen an
Berlin-Cölln, 1543 in den all-
einigen Besitz von Cölln. Im
Jahre 1737 siedelte Friedrich
Wilhelm I. auf dem vom Fis-
kus angekauften Schulzengute
die ersten böhmischen Kolo-
nisten an. Damit erfolgte eine
Trennung in zwei Gemeinden,
die bis 1874 als Deutsch- und
Böhmisch-Rixdorf mit eigenen
Kirchen und unter eigenen
Schulzen nebeneinander be-
standen haben. Im Jahre 1861
zählte Deutsch-Rixdorf 2823,
Böhmisch-Rixdorf 1014 Ein-
wohner. Fortgesetzte Steuer-
und Verwaltungsstreitigkeiten
zwischen den beiden Gemein-
den führten 1873 zu deren
Vereinigung zu einer Landge-
meinde*), die 1875 13375 Ein-
wohner zählte. Ein stündlich
Das neue Rathaus in Rixdorf.
Giebel an der Schönstedtstraße.
verkehrender Omnibus vermittelte damals allein den Verkehr
mit Berlin. Aber bald setzte ein ganz außergewöhnliches
Wachstum ein, zielbewußt gefördert und in gedeihliche Bahnen
geleitet durch die unermüdliche Tatkraft und den Weitblick des
ersten Ortsvorstehers Boddin, des jetzigen Oberbürgermeisters
der jungen Großstadt. Die Verleihung der Stadtrechte erfolgte
1899. Die Zahl der Einwohner stieg bis 1895 auf 60000, 1900
auf 90000, 1905 auf 153513; damit hat Rixdorf mit 69 v. H.
die stärkste Zunahme unter den deutschen Städten zu ver-
Rixdorf ist in den letzten Jahrzehnten durch eine an
amerikanische Verhältnisse erinnernde Entwicklung einer
-der umfangreichsten Bestandteile Großberlins geworden.
Seine kommunale Geschichte reicht kaum 40 Jahre zurück; vor-
dem unterschied sich der Ort, weitab von den Toren der
*) Vergl. »Rixdorf in alter und neuer Zeit«, Festschrift zur Einweihung
des neuen Rathauses. 1908. Herausgegeben vom Magistrat.
zeichnen gehabt, während die Bevölkerung Berlins im gleichen
Jahrfünft nur um 8 v. H., die von Charlottenburg um 27 v. H.
wuchs. Heute hat Rixdorf bereits über 217000 Einwohner;
bald wird es zu den größten deutschen Städten gehören.
Für eine so rasch emporwachsende Stadt müssen natur-
gemäß alle die gemeinnützigen Anlagen, öffentlichen Bauten,
Schulen u. s. w. in raschester Folge, fast gleichzeitig, geschaffen
werden, deren Planung und Ausführung sich bei ruhigerer
Entwicklung auf Jahrzehnte, ja auf Jahrhunderte verteilt. So
hat Rixdorf in den letzten Jahren einen Hochbauetat, der an
Das neue Rathaus in Rixdorf. Architekt: Stadtbaurat Reinhold Kiehl
in Rixdorf.
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