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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 25.1909

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1909

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 8


Landhaus
des Herrn J. D. Miirrle
in Unterreichenbach
(Schwarzwald).
Architekten:
Benzinger & Schaaff
in Pforzheim.
der Halle dient im
Sommer als Früh-
stiicksraum.In einem
niedrigen Flügelan-
bau liegen Küche,
Waschküche,Speise-
kammer, Klosett und
Küchenvorhalle, im Dachstock ein Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer und
ein Fremdenzimmer mit Bad und Klosett; darüber, den größten Teil des
ganzen Dachraums ausfüllend, ein Atelier mit zwei kleinen Nebengelassen.
Da die Einrichtung den notwendigen Komfort nicht vermissen läßt, sind
die Baukosten des Hauses mit 17000 Mk. sehr mäßig. Hierzu kommen die
Kosten für Einfriedigung, Gartenanlage und Grundstückserwerb.
Tafel 63 u. 64. Idealpassage in Rixdorf. Architekten:
Willy & Paul Kind in Rixdorf-Berlin. (Zum Artikel auf Seite 62.)
Beilage. Landhaus des Herrn J. D. Mürrle in Unter-
reichenbach. Architekten: Benzinger & Schaaff, Pforzheim.
Das Einfamilienhaus, an einem Bergabhange gelegen, mit der Haupt-
front dem Nagoldtale und der Hinterfront einem Ausläufer des Württem-
bergischen Schwarzwaldes zugekehrt, ist in der schwarzwäldischen Bauweise
ausgeführt. Im Keller- und Erdgeschoß befinden sich die Wohn- und
Wirtschaftsräume, im Dachgeschoß drei Schlafzimmer nebst Bad. Die
Umfassungswände sind in doppeltem Holzfachwerk hergestellt und mit
Brettern verschalt, deren dunkelbraune Tönung zu dem am Kellergeschoß
aufgetragenen weißen Putz einen angenehmen Kontrast bildet. Ein etwa
600 qm großer Zier- und Nutzgarten umgibt das Haus. Die Kosten des
ganzen An wesens samt Garten belaufen sich auf etwa 12 000 Mk.


Notizen.
Ausstellungen. In Stockh olm findet vom 4. Juni bis 15. September
die erste allgemeine schwedische Kunstgewerbeausstellung statt, auf
der auch die schwedische Volkskunst umfassend vertreten sein wird. —
Im Hamburg er Museum für Kunst und Gewerbe wird der dortige
Kunstgewerbeverein vom 15. Oktober bis 15. Januar eine Ausstellung ver-
anstalten, darstellend die neuzeitliche Ausstattung eines Landhauses. —
Die internationale Jagdausstellung in Wien 1910 wird auch
eine umfangreiche kunstgewerbliche Abteilung enthalten. — In Malmö
soll 1913 eine große Baltische Ausstellung die Erzeugnisse und Arbeiten
der drei nordischen Reiche Dänemark, Schweden und Norwegen vorführen.
Die Akademie des Bauwesens in Berlin hat ihre nach dem Ent-
würfe des Bildhauers Morin neugeschaffene goldene Medaille dem
Architekten Geh. Baurat Dr.-Ing. Schmieden und dem Ingenieur Geh.
Baurat Dr.-Ing. Schwieger in Berlin verliehen. — Für die Herausgabe
von 17 geographisch-kunstgeschichtlichen Tafeln der Altersfolge der Bau-
denkmäler des Abendlandes aus dem Nachlasse von Franz Mertens hat

die Akademie 3000 Mark bewilligt, ebenso viel für die Fortsetzung V’der
Aufnahmen vorbildlicher Glasmalereien, insbesondere in St. Gudule, Brüssel.
Im Berliner Kunstgewerbemuseum ist im Ausstellungssaale der
Bibliothek eine vortreffliche Lichtdruckveröffentlichung von Aufnahmen der
verbotenen Stadt (kaiserlichen Residenz) in Peking ausgestellt. Die
Aufnahmen sind während des Boxeraufstandes, als der Hof Peking ver-
lassen hatte, für die japanische Regierung gemacht und jetzt in Tokio
veröffentlicht worden. Sie geben die Außen- und Innenarchitektur, die
Paläste, Tempel, Torgebäude, Treppen, Verbindungsgänge, Brücken und
Gärten, die riesenhaften Bronzen u. s. w. und enthüllen zum ersten Male
die Wunder dieser geheimnisvollen Stadt mit dem ganzen Reize einer ur-
alten, aufs äußerste entwickelten Kultur. Welcher Nachdruck in der monumen-
talen Gestaltung der Anlagen, welche kühnen Umrißlinien und kunstvollen
Gliederungen der Massen und welcher zauberhafte Reichtum der Ornamentik
ist in diesen märchenhaften Schöpfungen vereinigt! — Gleichzeitig sind im
Lichthofe des Museums 400 ausgewählte Blätter aus der Sammlung der
Handzeichnungen alter Meister ausgestellt, Entwürfe für die verschiedensten
Gewerbe vom Beginn der Renaissance bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Der Verband deutscher Kunstgewerbevereine hielt am 28. März
in Halle seinen 19. Delegierten- besser Vertretertag ab, über dessen Ver-
lauf und Verhandlungen nur Erfreuliches zu berichten ist. Großindustrielle,
Handwerker, Künstler und Zeichner in einmütiger Beratung am Werke,
die vielseitigen Tagesfragen der angewandten Kunst zu lösen — dieses
Bild verdanken wir nicht ausschließlich der meisterlichen Leitung seitens
des Vorsitzenden, Geheimrat Muthesius. Der Grund dürfte tiefer liegen:
nach den üblen Zeiten der inneren Zerfleischung, der sinnlosen Kämpfe
um die Hegemonie, der kurzsichtigen Eifersüchteleien bricht sich in der
Republik des Kunstgewerbes die Einsicht Bahn, daß zum Gelingen dessen,
was allen, Künstlern und Handwerkern, Fabrikanten und Handlangern am
Herzen liegt: eine durch liebevollen Fleiß geadelte Werkkunst, auch
alle nebeneinander beitragen müssen. An die Stelle innerer Unstim-
migkeit beginnt gegenseitiges sich Achten und Verstehen zu treten. Und
damit dehnt sich auch das Gebiet der Aufgaben aus, die der Verband zu
lösen berufen ist. Da ist es denn wiederum lehrreich, zu beobachten, wie
Schritt um Schritt die Tagesordnungen der vielen, fast allzuvielen Bundes-
und Verbandstage verwandter Art einander näher kommen. »Mitwirkung
der Kunstgewerbevereine auf dem Gebiete des Denkmalschutzes und des
Städtebaus« lesen wir erstaunt, und erleben Verhandlungen, die ebenso
gut der Heimatschutzbund oder der Denkmaltag hätte führen können —
und wer Optimist ist, darf von seinem Beobachterposten aus bereits
schüchtern verkünden: ich glaube, wir alle, Kunstgewerbler, Heimat-
schützler, Denkmalpfleger erkennen allgemach das Ziel, das wir so lange
auf auseinanderstrebenden Wegen gesucht: Schönheit als Folge der inneren
Zweckmäßigkeit und Wahrheit der Dinge!
Aus der überreichen Tagesordnung interessieren uns an dieser Stelle
besonders diejenigen Punkte, die in den Rahmen unsres engeren Arbeits-
gebietes fallen. Das Wichtigste sei andeutungsweise wiedergegeben: Die
seit Jahren sorgfältig beratene Gebührenordnung für das Kunst-
gewerbe wurde zunächst für die Probezeit von zwei Jahren angenommen.
Ihre Anwendung wird empfohlen und ihre Anerkennung von seifen der
Gerichte und Behörden soll angestrebt werden. Als Ergänzung zu der
Gebührenordnung der Architekten kommt dieses Werk, dessen Durch-
führung besonders dem Geschäftsführer des Verbandes, Professor Dr. Leh-
nert, zu verdanken ist, einem dringenden Bedürfnis entgegen, und es ist
zu wünschen, daß nunmehr auch die Architekten die Gebührenordnung
für das Kunstgewerbe ihren Berechnungen zu Grunde legen.
Beschlossen wurde ferner die Herausgabe von »Flugblättern«,
welche in leicht verständlicher Form alle erdenklichen Einzelgebiete kunst-
handwerklichen Schaffens vom Grundrißtyp bis zumJ.Fenster, vom Einzel-
möbel bis zum Hausgarten knapp und doch erschöpfend zusammenfassen
werden, um für Handwerker, Laien und Schulen gewissermaßen einen
Katechismus des guten Geschmacks zu bilden.
In gewisser Hinsicht verblüffend wirkten die Ausführungen von
Dr. Wolff-Halle ȟber Volkskunst als volkswirtschaftliches und
ästhetisches Problem«. Verblüffend für die, welche bisher in sen-
timentaler Pflege der Volkskunst ein sicheres Heilmittel gegen die Un-
kultur der Zeit gesehen hatten, wie ein Schlachtruf für andere, welche be-
reits den Mißbrauch empfanden, den unehrliche'Arbeit in gefährlicher
Weise mit dem ernstgemeinten Worte zu treiben beginnt. »Volkskunst
ist, wenn man alles himmelblau anstreicht und bunte Blümerln drauf-
malt« , definierte nachher einer aus Süddeutschland diese Aftervolkskunst.
Dr. Wolffs Verdienst liegt jedenfalls darin, daß er die Begriffe Volkskunst
und Gewerbekunst volkswirtschaftlich scharf und rücksichtslos umgrenzt
und das Interesse der Fachwelt auf die hier der Lösung harrenden Fragen
gelenkt hat. Da der Vortrag als Sonderdruck erscheinen wird, genügt es,
hier nachdrücklich sein Studium zu empfehlen.
Die Verhandlungen über Denkmalschutz und Städtebau ergaben
zwar keine neuen Gesichtspunkte gegenüber den längst bekannten und
verwandten Bestrebungen andrer Verbände, zeigten jedoch an dem Bei-
spiel von Halle, wo der Kunstgewerbeverein unter Führung von Architekt
Wolff eine Beratungstelle für Kunstgewerbe und Baukunst eingerichtet
hat, daß neben den Architekten- und Heimatschutzvereinen wohl gelegent-
lich auch die Kunstgewerbevereine in die Bresche springen können.
Wertvoll war endlich Direktor Dr. Jessens Hinweis auf die Unklarheit,
die in unsre Kunstschutzgesetzgebung dadurch gekommen ist, daß
neben dem neuen Gesetze, das alle Werke des Kunstgewerbes schützt,
doch das alte Eintragungsgesetz »für Muster und Modelle« bestehen ge-
blieben ist. Die Abschaffung der so entstandenen Rechtsunsicherheit ist
dringend notwendig.
Wir sehen: die in kunstloser Zeit aufgerichteten Grenzen zwischen
den einzelnen Gebieten künstlerischen Schaffens wollen wieder in sich
selbst zusammenfallen. Des Architekten Angelegenheit wird auf Kunst-
gewerbetagen verhandelt und umgekehrt. Es würde den eingeleiteten
Prozeß beschleunigen, wenn mehr, als es bisher der Fall, die Architekten
den Kunstgewerbevereinen beitreten und an ihrer wichtigen Arbeit teil-
nehmen wollten. E. Högg-Bremen.
 
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