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Der figürliche Schmuck des Kroisostempels

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Programm der Reliefs der Säulen für die
Öffentlichkeit den rituellen Wechsel, der
von den lydischen Königen angeordnet
war, interpretieren sollte. Kroisos wollte
nicht nur den verschiedenartigen Kulten
ein Ende setzen, er wollte für seinen
Vielvölkerstaat auch ein gemeinsames
religiöses Symbol formulieren. Archi-
tektonisch neu an diesem Plan war die
funktionalistische Unterteilung zwischen
Tempel und Altar sowie die axiale Koor-
dination der beiden Gebäude.

Sekos und Naiskos im Heiligtum der
lydischen Bauphase

Die Ausmaße des Hofes des Kroisostem-
pels lassen sich durch Ritzlinien auf den
Marmorfundamentplatten bestimmen.
Die noch in situ vorhandenen Platten
wurden im Norden und Süden als Funda-
mente für die Pfeiler der spätantik-früh-
byzantinischen Kirche benutzt. Im Süden
ist sogar an zwei Stellen das aufgehende
Mauerwerk der Hofmauer in Emplekton-
technik (doppelschalige Mauer) erhalten.
Durch aufgefundene Ritzlinien auf nicht
zugebauten Fundamentplatten läßt sich die
lichte Breite des Innenhofes mit 21,15 m,
seine lichte Länge mit 46,692 m bestim-
men.

Die geringen Reste der aufgehenden
Hofmauern zeigen die typische Oberflä-
chenbearbeitung der Kroisoszeit: glatter
Randschlag und leicht erhabener gerauh-

ter Spiegel. Ganz ähnliche Bearbeitungs-
techniken finden sich auch in Pasargadai,
Persepolis und Susa im Iran, wohin nach
Herodot (VI 20) die Milesier nach ihrer
Niederlage gegen die Perser zu Beginn
des 5. Jhs. v. Chr. verschleppt worden
sind und wo offenbar sie und andere
Ionier als Handwerker tätig waren.

Der Naiskos (Abb. 67) hatte eine
Nord-Süd-Erstreckung von 5,94 m, eine
Ost-West-Ausdehnung von 4, 93 m. Er ist
mit folgenden Bauteilen erhalten: 1. einer
Quermauer (Abb. 34, 35) aus Spolien mit
schön gearbeiteten Grünschieferquadern
nach außen, welche den Sockel des Nais-
kos bildete. 2. mit Marmorquadern des
aufgehenden Sichtmauerwerks mit der
typischen Oberflächenbearbeitung des
Kroisostempels: glatter Randschlag an
den Fugen und rauher Spiegel in feiner
Spitzeisentechnik (Abb. 67, 114). Die
Fugen weisen die für den Kroisostempel
charakteristischen vertikalen Gußkanäle
auf (Abb. 113). An der Ostseite sind zwi-
schen die Marmorblöcke sorgfältig be-
hauene Kalkmergelquader eingesetzt, die
mit Scharriereisen in vertikaler Richtung
bearbeitet sind. 3. einem Fußboden aus
hellem Schiefer, der die darunterliegende
Hinterfüllung aus Steinblöcken, Elek-
tronmünzen und älteren Opferbeigaben
versiegelte (s. u. S. 89 f.).

Aufgrund der Marmorbearbeitung sei-
nes Mauerwerks ist der Naiskos gleich-
zeitig mit dem Kroisostempel zu datie-
ren, also um 560 v. Chr. Damit ergibt

sich für das darunter aufgefüllte Material
ein <terminus ante quem>. Diese Hinter-
füllung des Naiskossockels mit ihren
Weihgaben ist damit auch kein Grün-
dungsdepot, sondern eine Art <Heiliger
Müll>, den man aus Respekt in das Fun-
dament versenkte. An der Westseite
könnte der Naiskos einen sichtbaren, zu-
gänglichen Unterbau gehabt haben, da
die auf Sicht gearbeiteten Grünschiefer-
blöcke diese Möglichkeit nahelegen. Der
Naiskos dürfte wohl zur Aufnahme des
neuen Kultbildes des Endoios (Plinius
n.h. XVI 79, 213-215) gedient haben
(vgl. s. 71).

Der spätklassische Tempel - das
Jüngere Artemision

Zum ephesischen Sakralbau der spätklas-
sischen Zeit äußern sich als antike Auto-
ren der Geograph Strabon und der Archi-
tekt Vitruv:

«Den Tempel der Artemis erbaute zu-
erst Chersiphron, später vergrößerte ihn
ein anderer. Als aber diesen Tempel ein
gewisser Herostrat niedergebrannt hatte,
bauten sie einen anderen schöneren,
indem sie den Schmuck der Frauen und
ihr eigenes Vermögen zusammentaten
und auch die alten Säulen verkauften.
Zeugnis dafür sind die damals gefaßten
Volksbeschlüsse.»

Strabon XIV 1,22; Übersetzung H. E.
Jones
 
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