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Ein ephesisches Pantheon
Artemis, Demeter, Kybele und Apollon als Gottheiten der
griechischen und anatolischen Bevölkerung
«Er sagte, daß Androklos, der legitime
Sohn des Kodros, der König von Athen
war, der Anführer der ionischen Koloni-
sation war, die jünger als die aeolische
war, und daß er der Griinder von Ephe-
sos war; aus diesem Grunde, so sagt
man, wurde der königliche Sitz der Ionier
hier eingerichtet. Und auch heute noch
werden die Nachfahren dieser Familie
Könige genannt; und sie genießen be-
stimmte Privilegien, damit meine ich
Z. B. das Recht, bei den Spielen in der
ersten Reihe zu sitzen und zum Zeicheti
ihrer königlichen Würde purpurfarbene
Kleider zu tragen sowie einen Stab an-
stelle eines Szepters; außerdem halten sie
die Oberaufsicht über die Opfer zu Ehren
der eleusinischen Demeter inne.»
Strabon XIV 1.3 (C 633); Übersetzung H. E.
Jones
Wie lassen sich die von den griechischen
Kolonisten nach Ionien mitgebrachten
Gottheiten in Ephesos nachweisen? Rück-
schlüsse von den architektonischen Über-
resten auf den Kult sind oft schwierig.
Denn die eigentlichen Rituale sind nur
dort genau ablesbar, wo sich in Heiligtü-
mern durch Erdüberschüttungen die Spu-
ren religiöser Vorgänge von den Anfän-
gen an konserviert haben. Einen solchen
Erhaltungszustand weisen aber die we-
nigsten Heiligtümer auf: entweder ist
ihre Überschüttung nicht erhalten oder
war gar nicht vorhanden, oder sie sind
durch ältere Ausgrabungen zerstört wor-
den.
Das Artemision von Ephesos bietet da-
gegen eine für die Archäologie fast ideale
Ausgangssituation, da die älteren Kult-
bauten durch das steigende Grundwasser
Ahh. 39 Nördliche Kultbasis aus lagerhaf-
ten Kalkmergelsteinen unter dem Funda-
ment für den Stufenaufbau des archaischen
Tempels. Über dem archaischen Fundament
liegt eine Rippe des Fundamentes fiir den
spätklassischen Tempel, bei der Marmor-
spolien des archaischen Baues verwendet
wurden. Unterhalb der Kultbasis ist eine
hohe Überschwemmungsschicht sichtbar,
die über einem Boden aus Kalkmergelplatten
Hegt, der bereits der geometrischen Epoche
angehört.
einerseits und durch die absichtlichen
Versiegelungen der Kroisoszeit anderer-
seits bereits in archaischer Zeit zuge-
schüttet wurden und es auch blieben.
Auch die Kirche, welche später in den
Hof des Tempels eingebaut wurde, hat
eine Ausraubung des Untergrundes ver-
hindert. Vor der Erörterung des Opferge-
schehens sollen jetzt jene Bauten bespro-
chen werden, die mit dem Kultgeschehen
unmittelbar zu tun haben.
Kleine Opferplätze
Im Artemision kamen nicht nur große
Einzelheiligtümer, die beiden großen
Marmortempel, zutage, sondern es fan-
den sich auch kleine rechteckige oder
quadratische Baukörper. Aufgrund ihrer
Form allein läßt sich nicht entscheiden,
ob es sich um einen Weihgeschenkträger
oder einen Altar handelt; da aber die mei-
sten noch in situ von Opferbrandschich-
Ein ephesisches Pantheon
Artemis, Demeter, Kybele und Apollon als Gottheiten der
griechischen und anatolischen Bevölkerung
«Er sagte, daß Androklos, der legitime
Sohn des Kodros, der König von Athen
war, der Anführer der ionischen Koloni-
sation war, die jünger als die aeolische
war, und daß er der Griinder von Ephe-
sos war; aus diesem Grunde, so sagt
man, wurde der königliche Sitz der Ionier
hier eingerichtet. Und auch heute noch
werden die Nachfahren dieser Familie
Könige genannt; und sie genießen be-
stimmte Privilegien, damit meine ich
Z. B. das Recht, bei den Spielen in der
ersten Reihe zu sitzen und zum Zeicheti
ihrer königlichen Würde purpurfarbene
Kleider zu tragen sowie einen Stab an-
stelle eines Szepters; außerdem halten sie
die Oberaufsicht über die Opfer zu Ehren
der eleusinischen Demeter inne.»
Strabon XIV 1.3 (C 633); Übersetzung H. E.
Jones
Wie lassen sich die von den griechischen
Kolonisten nach Ionien mitgebrachten
Gottheiten in Ephesos nachweisen? Rück-
schlüsse von den architektonischen Über-
resten auf den Kult sind oft schwierig.
Denn die eigentlichen Rituale sind nur
dort genau ablesbar, wo sich in Heiligtü-
mern durch Erdüberschüttungen die Spu-
ren religiöser Vorgänge von den Anfän-
gen an konserviert haben. Einen solchen
Erhaltungszustand weisen aber die we-
nigsten Heiligtümer auf: entweder ist
ihre Überschüttung nicht erhalten oder
war gar nicht vorhanden, oder sie sind
durch ältere Ausgrabungen zerstört wor-
den.
Das Artemision von Ephesos bietet da-
gegen eine für die Archäologie fast ideale
Ausgangssituation, da die älteren Kult-
bauten durch das steigende Grundwasser
Ahh. 39 Nördliche Kultbasis aus lagerhaf-
ten Kalkmergelsteinen unter dem Funda-
ment für den Stufenaufbau des archaischen
Tempels. Über dem archaischen Fundament
liegt eine Rippe des Fundamentes fiir den
spätklassischen Tempel, bei der Marmor-
spolien des archaischen Baues verwendet
wurden. Unterhalb der Kultbasis ist eine
hohe Überschwemmungsschicht sichtbar,
die über einem Boden aus Kalkmergelplatten
Hegt, der bereits der geometrischen Epoche
angehört.
einerseits und durch die absichtlichen
Versiegelungen der Kroisoszeit anderer-
seits bereits in archaischer Zeit zuge-
schüttet wurden und es auch blieben.
Auch die Kirche, welche später in den
Hof des Tempels eingebaut wurde, hat
eine Ausraubung des Untergrundes ver-
hindert. Vor der Erörterung des Opferge-
schehens sollen jetzt jene Bauten bespro-
chen werden, die mit dem Kultgeschehen
unmittelbar zu tun haben.
Kleine Opferplätze
Im Artemision kamen nicht nur große
Einzelheiligtümer, die beiden großen
Marmortempel, zutage, sondern es fan-
den sich auch kleine rechteckige oder
quadratische Baukörper. Aufgrund ihrer
Form allein läßt sich nicht entscheiden,
ob es sich um einen Weihgeschenkträger
oder einen Altar handelt; da aber die mei-
sten noch in situ von Opferbrandschich-