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Ein ephesisches Pantheon

ten und Weihegaben umgeben waren,
darf man sie als Kultstätten ansprechen.

Unter dem Marmorfundament des
Kroisostempels, das selbst zum Teil aus
Spolien (wiederverwendeten Steinen) be-
steht, wurde 1987 eine quadratische
Basis gefunden (die sog. nördliche Kult-
basis - Abb. 39). Sie besteht aus behaue-
nen Platten aus Kalkmergel, einem wei-
chen, gelblichen Süßwasserkalk, der
auch im Heraion von Samos zu finden ist.
Eine umgebende dunkle Schicht aus
Kohle, Knochen, Asche und Kleinfunden
war ebenfalls dieser Basis zuzuordnen.
Die zahlreichen Tierknochenfunde wei-
sen sie als Kultbasis aus. Die Form der
Basis selbst sagt wenig über Kultgebräu-
che und Kultbestimmung aus. Die Basis
wurde zwischen 620 und 560 v. Chr. für
kultische Handlungen genutzt.

Aus der unmittelbaren Umgebung die-
ser Basis, nämlich aus der bereits er-
wähnten dunklen Schicht aus Opferrück-
ständen, stammen viele Kleinfunde und
Elektronmünzen. Durch die unterste
Marmorplattenreihe für den Stufenbau
des Kroisostempels wurde diese Kult-
basis später zugedeckt und damit der
Sicht und Benutzung entzogen. Ahnliche
Basen wie diese an der Nordseite des Ar-
temisions gab es auch im Zentrum des
Heiligtums. Knapp östlich des Peripteros
liegt die etwas später von einer Mauer

überbaute Basis A (vgl. Abb. 34), die aus
drei Kalkmergelsteinlagen besteht. In
einer dicken, ungestörten Brandschicht,
die sich um die Basis herumzog, fanden
sich zahlreiche Tierknochen sowie Frag-
mente von Schalen mit Vogeldarstellun-
gen. Von einer weiteren Basis, Basis B
genannt, die unmittelbar an der Ostbe-
grenzung des Sekos (Tempelhof) liegt (in
Abb. 30), sind nur noch die Fundamente
erhalten geblieben. Eine dritte Basis,
Basis C, liegt an der südöstlichen Ecke
einer Mauer, die den Peripteros umgibt,
und ist in spätklassischer Zeit mit Mar-
morspolien des 6. Jhs. v. Chr. überbaut
worden. Hier ist der Befund durch die
Grabung von Hogarth gestört (in Abb.
30). Die Basis B im Osten des Hofes
wurde - wie die Kultbasis im Norden
unter dem Fundament des Kroisostem-
pels - durch das Verlegen des Bodens im
Hof des Kroisostempels <aus dem Ver-
kehr gezogen>. Diese Basis wurde auf
einer dicken Schicht aus Dachziegeln er-
richtet, die ihrerseits wieder einen alten
Opfergraben versiegeln.

Obwohl die Basis B selbst keine Funde
mehr aufweist — der Befund ist offenbar
auch hier durch die Hogarth-Grabung ge-
stört -, zeigen die in der darunterliegen-
den Opfergrube gefundenen Goldfibeln
und die Goldstatuette, daß hier im 8. und
7. Jh. v. Chr. ein Kultkontinuum exi-

stierte (Abb. 99). Der Nachweis beider
Basen ist aber auch deshalb so wichtig,
weil sie in unmittelbarem Zusammen-
hang mit anderen Opferresten, nämlich
Tierknochen, stehen. Damit ist es mög-
lich, den Opfer- und Eßvorgang mit den
Weihegaben in direkten Zusammenhang
zu bringen. Hieraus läßt sich der im
Schenken und Essen Gemeinschaft stif-
tende Charakter des griechischen Opfers
belegen.

Konzentrierte Vorkommen von Fun-
den lassen sich aber auch ohne zugehö-
rige Kultbasis nachweisen. Auffallend ist
ein solches vor der Westseite des Kroisos-
tempels. Neben einer Goldstatuette (Abb.
87) wurden hier zwei Goldfibeln und zahl-
reiche Elfenbeine gefunden. Man darf
davon ausgehen, daß diese Opferbasen
Kultstätten von Familienverbänden, von
bestimmten Clanen und auch ethnischen
Gruppen sind. In diesem Zusammenhang
ist eine Bemerkung Herodots (V 66) von
Interesse. Er teilt mit, daß er über einen
gewissen Isagoras nichts sagen könne,
sein Geschlecht aber dem karischen Zeus
opfere. Ein wichtiges Identitätsmerkmal
dieser Gruppen ist somit eine eigenstän-
dige Ausführung bestimmter religiöser
Riten. Man wird folglich für diese Kulte
auch eigene Kultträger annehmen dürfen.
Aus den weiter unten erwähnten Funden
von Schweineknochen (s. S. 63) geht zu-
mindest hervor, daß für diese frühen Op-
ferplätze die Verehrung der Göttin De-
meter eine Rolle gespielt haben dürfte.

Kultbauten mit Apsis

Ein weiterer interessanter Befund findet
sich mit einem gekurvten Fundamentteil
(Abb. 40) zwischen der westlichen
Mauer des Tempels C (vgl. S. 44) und
dem Fundament des Tempelhofes. Seine

Abb. 40 Westlicher Teil der Zentralbasis:
A: Westliches Fundament des Tempels C
(vgl. S. 44)

B: Stufenfundament für den spätklassischen
Tempel (vgl. S. 55)

C: Gekurvter Fundamentteil

D: Stylobat (Fußboden) des Kroisostempels

(vgl. S. 49).

Abb. 41 Siidlich des Hekatompedos gelege-
ner apsidaler Bau.

Abb. 42 Fragment eines Tellers mit Lotos-
blütendekor, der aus einer Doppelvolute ent-
springt, die Ornamente sind in Weiß, Gelb,
Rot und Schwarz angegeben, ein prächtiges
Beispiel für die sog. ephesische Ware.
 
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